Intern
Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Pressespiegel - Meldung

Einblicke in die Anfänge der Menschheit

15.01.2008

Frank Falkenstein ist der neue Professor für vor- und frühgeschichtliche Archäologie (aus: "Blick" 1/2008, S. 6f.)

Hügelgräber aus der Bronzezeit in Süddeutschland, „naturheilige Orte“ auf der nördlichen Frankenalb oder prähistorische Siedlungshügel im Umfeld von Metall – Lagerstätten in der Südslowakei: Der Gegenstand von Frank Falkensteins Forschungen ist viele tausend Jahre alt. Im Gegensatz dazu – oder gerade deshalb – sei die Archäologie methodisch jedoch äußerst innovativ, sagt Falkenstein. Und genau darin sieht der Professor der seit dem Wintersemester den Lehrstuhl für vor- und frühgeschichtliche Archäologie innehat, auch die Zukunft seines Faches an der Universität:

Die vor- und frühgeschichtliche Archäologie beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte des Menschen in Europa von seinen ältesten Erscheinungsformen vor etwa 600.000 Jahren bis an die Schwelle zum Mittelalter. Und da es kaum schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeit gibt, sei sein Fach immer auch sehr offen gewesen für neue Forschungsmethoden – sowohl naturwissenschaftliche als auch kulturwissenschaftliche, berichtet Falkenstein.

So arbeitet die Archäologie mit großem Gewinn mit den Geowissenschaften zusammen oder macht sicht deren Prospektionsmethoden zu Nutze. Wenn es um Materialbestimmungen geht, bewegt man sich in den Gefilden von Physik und Chemie – und bei der Rekonstruktion von Formen des Nahrungserwerbs und der Ökonomie kommen die Zoologie und die Botanik zum Einsatz. Nicht zuletzt werden mit Hilfe kulturwissenschaftlicher Methoden Analogien gesucht und Modelle gebildet, um die vorgefundenen archäologischen Muster zu erklären. „Das Fach“, ist Frank Falkenstein überzeugt, „lebt geradezu davon, dass intensiv interdisziplinär gearbeitet wird“.

Und mit diesem Pfund möchte er wuchern, um im Rahmen des Bachelor-Studiengangs den bislang eher kleinen Kreis von Studierenden zu erweitern. Dabei schwebt ihm vor, dass sein Institut eine fundierte kulturwissenschaftliche Ausbildung am Beispiel der Archäologie anbietet – eine Ausbildung die ein breites Spektrum von Arbeitstechniken abdeckt und damit die Bachelor-Absolventen auch für ganz andere Berufsfelder gut rüstet. Darauf aufbauend soll dann ein kleinerer Kreis von Master-Studierenden auf den Arbeitsmarkt im Fach selbst vorbereitet werden.

Frank Falkenstein steht vor allem bei seinen Feldforschungen für eine naturwissenschaftliche Ausrichtung der Archäologie. Die enge Kooperation mit den Kulturwissenschaften in der Forschung und der Lehre wird eine vorrangige Aufgabe der zweiten Professur sein, die demnächst am Lehrstuhl eingerichtet wird. Diese Professur ist Teil eines virtuellen archäologischen Zentrums für Nordbayern,  das in naher Zukunft an den Universitäten von Würzburg, Bamberg und Erlangen angesiedelt werden soll.

Für die Archäologie hat sich Falkenstein von Kindheitstagen an interessiert. „Diese Relikte aus einer Zeit, die so unvorstellbar lange zurück liegt, haben mich schon immer fasziniert“, erinnert er sich noch genau. Und im Rückblick wird ihm bewusst, dass er selbst in seiner Auseinandersetzung mit der Archäologie eine ähnliche Entwicklung vollzogen hat wie das Fach in den vergangenen 200 Jahren – nämlich von der bloßen „Antiken-Sammelei“ über die systematische Dokumentation und Bearbeitung von Funden bis hin zu immer komplexer werdenden Fragestellungen an das Fundmaterial.

 

Ein virtuelles archäologisches Zentrum für Nordbayern

Heute interessiert er sich vor allem für den Menschen der hinter den Funden steht. „ Die Sozialarchäologie ist mir sehr wichtig.“ Dabei versucht man, anhand von geisteswissenschaftlichen Modellvorstellungen, soziale Strukturen zu rekonstruieren. Es gebe im prähistorischen Zeiten eine wiederkehrende Symbolsprache, mit der sich der Mensch in seiner Gemeinschaft darstellte, erklärt er: „Zum Beispiel Grabbau und Beigabenausstattungen der Gräber sagen viel über einen Menschen aus. Werden diese Angaben in Verbindung gebracht mit den anthropologischen Daten – handelt es sich um Frau, Mann, oder Kind? -, kann der gesellschaftliche Status des einzelnen Menschen, aber auch das Selbstbild einer vergangenen Gesellschaft rekonstruiert werden.“

Am zuverlässigsten können jedoch Fragen von Ökonomie und Technik mittels überlieferter Gerätschaften sowie den Resten von Produktion und Konsum in archäologische Zeiten zurückverfolgt werden. Dabei kristallisiert sich für Frank Falkenstein auch schon für diese frühen Epochen zunehmen die Erkenntnis heraus, dass die Innovationsfreudigkeit des Menschen vor allem in Krisensituationen geweckt war, während die technische Entwicklung in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität eher gemächlich verlief.

 

Unerwartete Funde von Steinhäusern

Vor- und frühgeschichtliche Archäologie ist ein weites Feld, gleichzeitig aber auch ein sehr regionales.“ In Frank Falkensteins Lehre nimmt Mitteleuropa – insbesondere Süd- und Ostdeutschland – einen geografischen Schwerpunkt ein. Damit trägt der Hochschullehrer vor allem der Tatsache Rechnung, dass die meisten Absolventen seines Faches in diesem Raum ihr berufliches Auskommen finden wollen – in der Bodendenkmalpflege, in Museen oder auch an der Universität selbst. Gegenstand der Lehre sind die archäologischen und naturwissenschaftlichen Quellen, von denen Siedlungen, Gräber und Hortfunde nur die Wichtigsten sind. In speziellen Seminaren werden anhand dieser Quellen kulturwissenschaftliche Fragestellungen verfolgt wie etwa Technikgeschichte, Sozialstrukturen, Migration oder Klimarelevanz.

Einen großen Teil des Studiums machen aber auch Ausgrabungen, Lehrgrabungen und Exkursionen aus. Gelegenheit, praktisch zu arbeiten, bekommen die Würzburger Studierenden bei einem Projekt in der Südslowakei, das in den kommenden Jahren zu einem umfangreichen Forschungsprojekt ausgebaut werden soll. In einem frühbronzezeitlichen Siedlungshügel im Umfeld von Metall-Lagerstätten sind Falkenstein und Kollegen in der jüngsten Siedlungsschicht auf den ganz unerwarteten Befund von Steinhäusern gestoßen. Nun wollen die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt daran gehen, „durch kleine Probeschnitte die Existenz von flächiger Steinbebauung zu verifizieren“.

Frank Falkenstein hatte anlässlich von Geländearbeiten für seine Doktorarbeit ein ganzes Jahr in einem kleinen Dorf in Serbien gelebt – zusammen mit Serben, Ungarn und anderen Nationalitäten. Auch heute empfindet er es als „äußerst reizvoll im Ausland auszugraben“. „Man stößt in Bereich vor, in die man als Tourist nie kommen würde und man lernt das Wesen eines Landes kennen, weil man mit den Menschen intensiv zusammen arbeitet.“ Nicht zuletzt deswegen war der Aufenthalt in Jugoslawien am Vorabend des Bürgerkrieges auch eine „sehr bereichernde menschliche Erfahrung“ für ihn.

 

Margarete Pauli

 

 

Zur Person

Frank Falkenstein (43) hat seit diesem Semester den Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Würzburg inne. Nach seinem Studium an der FU Berlin war er von 1996 bis 2006 am Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Heidelberg tätig – zunächst als Assistent, dann als Hochschuldozent. Zuletzt war er Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Bamberg. Unter anderem hat Falkenstein jüngst Forschungen auf der frühbronzezeitlichen Zentralsiedlung „Fidvár“ bei Vráble am Südrand des Slowakischen Erzgebirges ins Leben gerufen, an denen sich Wissenschaftler der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt/Main, das Geographische Institut der Universität Heidelberg und der Akademie der Wissenschaften in Nitra beteiligen.

Zurück