"Bullenheimer Berg war in der Bronzezeit intensiv besiedelt"
17.03.2012Mehrere tausend Menschen werden dort gelebt haben - Ausstellung steht an
Interview mit dem Archäologen Professor Dr. Frank Falkenstein
BULLENHEIM / MÖNCHSONDHEIM - In den 70er Jahren ist der Bullenheimer Berg ins Visier der Archäologie gerückt. Unter der Leitung von Professor Dr. Frank Falkenstein und Professorin Dr. Heidi Peter-Röcher begannen 2010 nach mehr als 20 Jahren Pause neue Feldforschungen der Universität Würzburg. Einblick in diese erhalten Interessierte vom 5. Juni bis zum 17. Juli im Kirchenburgmuseum Mönchsondheim. Hier findet die Sonderausstellung „Der Bullenheimer Berg - eine prähistorische Höhensiedlung im Brennpunkt moderner Methoden der Feldforschung" statt. Die FLZ sprach mit Professor Falkenstein.
Herr Professor Falkenstein, was ist am Bullenheimer Berg so spannend?
Falkenstein: Entlang dem Steigerwaldrand gibt es mehrere vorgeschichtliche Höhensiedlungen. Der Bullenheimer Berg hat eine besondere Situation. Von der topographischen Lage ist er sehr verkehrsgünstig etwas südlich des Maindreiecks gelegen, wo sich wichtige Verkehrswege kreuzen. Und die zahlreichen Funde lassen auf eine intensive Besiedlung in der späten Bronzezeit, der sogenannten Urnenfelderzeit, schließen.
Außerdem hat das Bodendenkmal einen hervorragenden Erhaltungszustand. Vorgeschichtliche Befestigungsanlagen, wie Ringwall und Querwälle, überwiegend aus der Urnenfelderzeit, sind für Archäologen gut erkennbar. Der Berg ist im Vergleich zu anderen Anlagen relativ gut bekannt, so dass wir sein großes Forschungspotential verlässlich abschätzen können.
Von Sondengängern, Privatsammlern mit Metalldetektoren, wurden hier Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre alleine zwölf Schatzfunde dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gemeldet: In den 90er Jahren wurden mindestens sechs weitere, illegal gehobene Schatzfunde vom Freistaat aus dem Kunsthandel angekauft, die möglicherweise ebenfalls von dort stammen. Diese große Zahl an Schatzfunden ist von anderen Höhensiedlungen in Süddeutschland nicht annähernd bekannt.
Schatzgräber haben aber auch einiges kaputtgemacht?
Falkenstein: Natürlich wird durch Schatzgräberei immer zerstört. Den Schatzgräbern geht es ja nur um die Objekte. Für die moderne Archäologie dagegen sind die kulturgeschichtlichen Informationen, die mit den Objekten verbunden sind, wichtig, also vor allem auch der Fundzusammenhang. So lässt sich daran am ehesten entscheiden, ob die Horte als Opfergaben oder als Versteckfunde in den Boden gelangten. Wenn die Funde einfach aus dem Boden herausgerissen werden, sind diese Informationen unwiederbringlich zerstört. Der Bullenheimer Berg ist dafür ein berühmtes und auch trauriges Beispiel.
Was erfahren die Besucher in der Sonderausstellung Neues?
Falkenstein: Der Schwerpunkt liegt auf modernen Methoden der Feldforschung am Beispiel des Berges. Es ist eine Wanderausstellung, die wir für Mönchsondheim aktualisieren. Anlässlich der Entdeckung des sogenannten Phalerendepots nahm die Universität Würzburg unter Leitung von Georg Diemer 1981 Ausgrabungen an den Befestigungswerken des Berges auf. Leider verunglückte er später tödlich, und die Forschungen wurden eingestellt.
2010 begann der Lehrstuhl für Vor-und Frühgeschichtliche Archäologie neue Feldforschungen, auch im unmittelbaren Umland des Berges. Wir kooperieren eng mit dem Archäologischen Netzwerk Kitzinger Land, einem Zusammenschluss von Laien unter Leitung des Städtischen Museums Kitzingen. Die erste archäologische Maßnahme war ein Airborne-Laserscanning, ein hochpräziser Scan vom Flugzeug aus.
Die Unterfränkische Kulturstiftung und das Weinparadies Franken, insbesondere die Gemeinden Seinsheim und Ippesheim, unterstützten die Maßnahme und die Feldforschungen intensiv - finanziell und logistisch.
Was waren weitere Maßnahmen?
Falkenstein: Aufgrund des Scans wurde ein digitales Geländemodell, also eine hochpräzise dreidimensionale Karte, erstellt. Auf deren Grundlage wurde von unseren Studenten das 30 Hektar große Bergplateau begangen und alle Funde mit einem GPS-Empfänger metergenau eingemessen.
Dabei wurden: Hunderte Keramikscherben gesammelt, die auf Ausdehnung, Dichte und Zeitstellung der Besiedlung hinwiesen. Bei einer geomagnetischen Prospektion wurden mit einem Magnetometer magnetische Anomalien im Boden aufgespürt und in Karten umgesetzt. Als Nächstes nahmen wir Bohrungen vor, die Aufschluss über den Bodenaufbau gaben.
Anders als auf vielen anderen Höhensiedlungen in Nordbayern ist eine großflächige prähistorische Siedlungsschicht erhalten, etwas ganz Besonderes. Weiter führten wir Sondierungsgrabungen durch, mit denen wir zum Beispiel prähistorische Siedlungsterrassen aufspürten. Außerdem gewannen wir neue Ergebnisse zu den Befestigungsanlagen.
Die jüngste und aufwändigste Befestigungsphase datiert ganz ans Ende der Urnenfelderzeit, also ins neunte Jahrhundert vor Christus. Ringwall und Befestigungswerk wurden jedoch nicht vollendet. Anscheinend verließ man den Berg um zirka 800 vor Christus, und die Siedlung fiel wüst.
Im Labor des Lehrstuhls für Geomaterialforschung und Geodynamik finden darüber hinaus in einem wissenschaftlichen Pilotprojekt chemisch-physikalische Materialanalysen an Keramik und Steinartefakten statt.
Der Forschungsstand hat durch die Feldforschungen also neue Informationen erfahren?
Falkenstein: Für den nordbayerischen Raum gilt der Berg zumindest für die Urnenfelderzeit als die bestuntersuchte Höhensiedlung. Unsere Feldforschungen sind übrigens im Rahmen von studentischen Geländepraktika ausgeführt worden.
Unsere bisherigen Prospektionen und Ausgrabungen verstehen wir jedoch als Voruntersuchungen. In den nächsten Jahren sind auf dem Berg 'großflächigere archäologische Feldforschungen vorgesehen.
Welches Geheimnis möchten Sie dem Berg noch entlocken?
Falkenstein: Mit den Forschungen wollen wir die Siedlungsgeschichte des Berges klären, also die Besiedlung des Platzes über die Jahrtausende hinweg rekonstruieren. Es geht darum: Wie sahen die Häuser aus und wie waren sie angeordnet, wie viele Menschen lebten hier, wie erzeugten sie ihre Nahrung, welchem Handwerk gingen sie nach, mit wem trieben sie Handel?
Außerdem interessiert uns die soziale 'Organisation der Zentralsiedlung und ihre Einbindung in das fruchtbare Umland. So wissen wir bereits, dass in der Hauptbesiedlungsphase die 30 Hektar praktisch vollständig besiedelt und bebaut waren. Es werden mehrere tausend Menschen dort gelebt haben. Eine andere wichtige Fragestellung sind religiöse Vorstellungen und Kulte vor Ort.
aus: FLZ Fränkische Landeszeitung Ansbach, 17./18. März 2012, Interview: Oliver Herbst