Ringvorlesung: Vortrag #3

Hinter dem populären Begriff des Kulturerbes oder kulturellen Erbes verbergen sich mit Kultur und Erbe zwei exklusive Konzepte moderner westlicher Gesellschaften. Deren überwiegend positive Assoziation ist unter anderem ein Resultat von politischer Propaganda, kommerzieller Werbung und dem Wunsch nach Identifikation. Die historische Analyse nichtsdestoweniger lässt den zutiefst problematischen und konfliktären Charakter dieser Begriffe und der ihnen zugrunde liegenden Konzepte nachvollziehbar werden. Von den Zerstörungen des Ersten Weltkrieges bis hin zu gegenwärtigen Rassismen sind Kultur, Erbe und Kulturerbe eben auch Diskurse des Ausschlusses, der Erniedrigung des Gegenübers und des Kampfes um Deutungshoheit (gewesen). Anhand verschiedener konkreter Beispiele aus der europäischen, südosteuropäischen, asiatischen und westafrikanischen Geschichte und Gegenwart sowie der Traditionspflege der Bundeswehr unternimmt der Vortrag den Versuch, das Negativ der Geschichte von Kultur, Erbe und Kulturerbe nachzuzeichnen.

Tobias Strahl, geboren 1978 in Dresden. Soldat auf Zeit als Gebirgsjäger. Reserveoffizier und Offizier für Operative Information der Bundeswehr. Zwischen 1999 und 2011 wiederholt Einsätze in Kosovo und Afghanistan. Von 2004 bis 2010 Studium der Kunstgeschichte und Neuen deutschen Literaturwissenschaft an der Technischen Universität in Dresden. 2016 Promotion bei Bruno Klein (Institut für Kunst- und Musikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden) mit der Dissertationsschrift „Kulturerbezerstörung in den Postjugoslawischen Kriegen: 1991-1999 und 2004 / Kroatien, Bosnien-Herzegovina, Kosovo / Eine kritische Diskursanalyse“. Mehrjährige Studien- und Forschungsaufenthalte in Südosteuropa und Westafrika. Lebt und arbeitet derzeit als freier Wissenschaftler in Sarajevo, Bosnien-Herzegovina.