WiSe 2016/17: Erfahrungen in Kairo - Leben
Leben in Kairo
Müsste ich Kairo in drei Worten beschreiben, wären es groß, laut und lebendig. Das kann einen am Anfang ganz schön überfordern. Ich weiß noch, dass ich zu Beginn meines Auslandssemesters fast schon überzeugt war, irgendwann im Laufe des halben Jahres im Kairoer Verkehr zu sterben. Nach ein paar Monaten bewegte ich mich aber immer sicherer und selbstbewusster durch die Massen an Autos. Und mir ist nie etwas passiert. Mein Zimmer lag direkt am Nil im so genannten Fakultätshotel der Uni. Um zu den Kursen zu gelangen, musste ich also nur einmal über den Flur. Das war ungemein praktisch, denn im Kairoer Feierabendverkehr kann man schon mal gut und gerne zwei, drei Stunden zubringen. Die Zimmer hatten alle ein eigenes kleines Badezimmer mit Dusche und waren mit dem Nötigsten ausgestattet, um ein halbes Jahr darin zu leben. Das Highlight war der kleine Balkon mit Blick auf den Nil, von dem man wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten konnte.
Eine Küche gab es nicht. Wir sind daher oft essen gegangen. Man findet in Kairo viele unterschiedliche Essenangebote: Über traditionelle Arabische Küche, zu Italienisch, Asiatisch und auch amerikanischen Fast Food Ketten. Im Stadtgebiet Garden City, das direkt neben der Universität liegt, fanden wir schon bald ein paar schöne kleine Restaurants, in die wir dann regelmäßig einkehrten. Für den kleinen Hunger haben wir uns elektrische Herdplatten gekauft, auf denen man sich selber etwas kochen konnte. Außerdem hat eine von uns drei Austauschstudentinnen in einer WG nahe der Fakultät gewohnt. Sie hatte eine Küche, in der wir öfter zusammen gekocht haben, und auch eine Waschmaschine, die wir ab und zu in Anspruch genommen haben. Es gibt auch auf dem Fakultätsgelände einen kleinen Kiosk, der hat aber nur geöffnet, wenn Kurse stattfinden. Das Leben in Kairo ist für Europäer sehr erschwinglich. Durch den hohen Umtauschkurs von Euro zu Ägyptischen Pfund sind viele Dinge günstiger als in Deutschland. Was für mich am Anfang sehr befremdlich war, sind die Unterschiede zwischen Touristenpreisen und den Preisen für Einheimische in Museen und Sehenswürdigkeiten. Die Touristenpreise sind für gewöhnlich ein zehnfaches Abbildung 1: Blick in mein Zimmer Abbildung 2: Der Blick vom Balkon des Preises, den ein Ägypter bezahlen muss, was mit den höheren Einkünften in Deutschland zu tun hat. Wir bekamen später jedoch einen so genannten „Tasrih“ vom Antikenministerium, durch den wir in vielen Museen freien Eintritt erhielten. Einige große Museen akzeptieren auch die „ICOM“- Karte.
Am einfachsten kommt man in Kairo mit dem Taxi voran. In der Innenstadt muss man dort eigentlich nie lange warten, um eines zu finden. Die Taxifahrer können zwar oft kein Englisch, aber wir hatten uns einen Arabischlehrer gesucht und konnten uns so nach einer Weile zumindest über den Preis und die Fahrtrichtung verständigen. Auch die U-Bahn ist günstig und schnell, jedoch oft sehr voll. Während meiner Zeit in Kairo habe ich viele Museen, Moscheen und Pyramiden gesehen. Aber natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten, dort seine Freizeit zu verbringen. Wir waren öfter mal im Kino. Die ausländischen Produktionen werden dort in Originalfassung mit arabischen und französischen Untertiteln gezeigt. Auch in der Oper waren wir zwei Mal. Eines meiner Highlights war die Fahrt mit einer Felukka auf dem Nil. Die Felukka ist ein Segelschiff, das man mitsamt Fahrer mieten kann. Einmal fuhr ich bei Sonnenuntergang und es war sehr beeindruckend. Eine Felukkafahrt ist auch eine gute Möglichkeit, sich dem Trubel der Stadt für eine Weile zu entziehen. Zur ägyptischen Kultur gehört auch viel Musik und Tanz. Wir waren mehrfach bei Tanzaufführungen von so genannten Tanura, das sind Tanzgruppen mit Männern, die sich drehen und dabei Röcke, die sie tragen, „abtanzen“. Auch Bauchtänzerinnen haben wir gesehen, da unsere Freunde aus der Universität sehr darauf bedacht waren, dass wir viel von der Kultur mitbekommen.
Am schwierigsten war es für mich, an Weihnachten nicht zuhause zu sein. Es war das erste Mal, dass ich nicht mit meiner Familie zusammen gefeiert habe und da die ägyptischen Kopten auch erst im Januar Weihnachten feiern, wusste ich nicht, ob der Tag überhaupt besonders werden würde. Aber er wurde es. Und deswegen komme ich jetzt zu dem Punkt, der mir in Ägypten am besten gefallen hat: Die Menschen. Sie haben uns so gastfreundlich aufgenommen. Freunde aus der Uni haben mit uns schon am 23. Dezember ein großes Weihnachtsessen veranstaltet, am 24. waren wir bei einem unserer Dozenten eingeladen, der für uns sogar einen Weihnachtsbaum aufgestellt hatte und am 25. haben wir mit anderen Austauschstudenten ein internationales Weihnachten gefeiert. Man hat an diesen Tagen besonders gemerkt, wie bereichernd der Austausch zwischen Deutschland und Ägypten, zwischen der westlichen und der arabischen Kultur für alle sein kann und ich habe es als sehr schön empfunden, an einem Tag wie Weihnachten mit so vielen verschiedenen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen zusammen zu feiern.
Abschließend kann ich sagen, dass Kairo zwar auf den ersten Blick viel zu groß und einschüchternd wirkt, es aber eine tolle Stadt mit vielen Möglichkeiten ist und für ein Auslandssemester eine sehr gute Gelegenheit bietet, mal eine völlig andere Kultur zu erleben. Das kann einen zwar manchmal den letzten Nerv kosten, weil man es anders gewohnt ist, aber wenn man sich darauf einlässt, kann es ungemein bereichernd sein. Ich habe das halbe Jahr in Kairo zumindest als sehr wertvolle Erfahrung empfunden und kann es nur wärmstens weiterempfehlen.
Hannah Knittel
Hier geht's außerdem zu Hannahs BlogMein Auslandssemester in Kairo.