Mus.wiss. Summer School
Partizipation, Inklusion und Interaktion
1. Summer School der Würzburger Museumswissenschaft in der Henrichshütte Hattingen
Auf großzügige Einladung der Henrichshütte Hattingen, einem von acht Standorten des LWL-Industriemuseums, fand vom 15. bis 17. September 2017 die 1. Summer School der museumswissenschaftlichen Doktorandengruppe der Universität Würzburger statt. Gemeinsam mit dem Team des auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerks errichteten "Museums für Eisen und Stahl" wurden gemeinsam neue Präsentationsideen entwickelt und abschließend zur Diskussion gestellt.
Nach einer Begrüßung durch die Organisatorin Carla-Marinka Schorr und Direktor Dirk Zache hielt der Grazer Museologie Gottfried Fliedl die Keynote: "Museum. Publikum. Öffentlichkeit". Seine "vom Mainstream der Museumsentwicklung und Museumsdiskussionen" weit entfernte "Forderung nach transformativem Denken und streitbarer Museums-Öffentlichkeit" regte, wie beabsichtigt, erste Diskussionen um den Sinn und Zweck von Museen an, so dass Fliedls grundsätzliches "Warum?" leitmotivisch die folgenden Tage prägte. Vor einer Fackelführung über das riesige Museumsgelände, das gleichwohl nur 4% des früheren Umfangs ausmacht und dessen industrielle Ruinen gerade in der Nachtstimmung einen besonderen visuellen Reiz entfalten, stellten Museumsleiter Robert Laube und Olaf Schmidt-Rutsch ihr Haus und ihren Konzeptentwurf für die neue Dauerausstellung vor.
Den nächsten Tag dominierten Arbeitsphasen, in denen Kleingruppen für drei markante Orte neue Ausstellungkonzepte entwickelten: für die Abstichhalle, in der früher das flüssige Eisen aus dem Hochofen 'floss', für die umfangreichen Gleisanlagen sowie für die Übergabestation, einen 25 Meter hohen Turm, von dem aus Förderbänder früher Erz und andere Materialien zum Hochofen transportierten, der aber heute als Aussichtspunkt und Standesamt dient. Impulsvorträge von Guido Fackler (Universität Würzburg), Anja Hoffmann (LWL-Industriemuseum) und Simone Doll-Gerstendörfer (Universität Würzburg) sollten dazu anregen, die jeweiligen Inhalte möglichst interaktiv, partizipativ wie inklusiv zu vermitteln.
Nach einer abendlichen Kurzführung durch Hattingens Altstadt wurden am letzten Tag die drei Konzeptideen vorgestellt und engagiert erörtert. Unter dem Motto "Unsichtbares sichtbar machen" will die erste Gruppe die Eisenproduktion in Hochofen und Abstichhalle in drei unterschiedlichen Modi vergegenwärtigen: technisch (u.a. Funktionsmodell, Exponate, Panorama/Fernrohre mit historischen Fotos), emotional (künstlerisch gestaltete Bild/Film-Licht-Ton-Show) und handlungsorientiert (Quiz mit diversen Stationen in der Halle). Eine Draisinenfahrt auf der Gleisanlage, die von den Überresten des nach China verkauften, dritten Hochofens ('Ofensau') bis zu einer Brache am anderen Ende des Museumsgeländes führt, wo ein chinesischer Pavillon errichtet werden soll, reflektiert den "Strukturwandel". Dieser "Weg in die Zukunft" befördert die Besucher von "Lebendigen Bildern" (um die 'Ofensau' platzierte, exemplarische Biographien) über eine spielerische Station an den überdimensionierten 'Pfannen' (u.a. Foto/Film-Box) per Schiene zum Pavillon, der die Brücke von Hattingen in die globalisierte Welt schlägt und wechselnde Themen präsentiert. Die Übergabestation stand als "Orte des Wandels" unter dem Motiv "Transformation". Es betrifft die Industriegeschichte ebenso wie die dort stattfindenden Hochzeiten ("rite de passage"), an die mit einem Event am Valentinstag ("Liebe Henrichtshütte") angeknüpft werden soll. Ansonsten wird auf der Aussichtsebene ein Raum für experimentelle, partizipativ von/mit unterschiedlichen Akteuren erarbeitete Formate geschaffen (Wechselausstellungen, Exponate im Fokus, Aufführungen, Lesungen, Installationen etc.), wobei der inhaltliche Leitgedanke "Heimat Henrichshütte" bewusst für unterschiedlichste Themen mit Bezug zum Museumsort offen ist (z. B. "Wat hatt Hattingen?").
Was bleibt? Neben einer umfassenden Umsorgung durch das Museumsteam die positiv bewältigte Herausforderung, neue Ausstellungsideen mit Lust und Intelligenz, im inspirierenden Widerstreit von Ideen und Deutungen entwickelt und pragmatische Lösungen gefunden zu haben, die zugleich theoretisch reflektiert sind, und das in einem disziplinierenden, zeitlich-engem Korsett. Es bleibt aber auch der Erkenntnis, dass ein Haus wie die Henrichshütte sich bei den in allen Gruppenprojekten präsenten Themen "Partizipation, Inklusion und Interaktion" nicht neu erfinden muss, sondern an seine Wurzeln anknüpfen kann, ist man doch schon seit der Ersteinrichtung im Jahr 2000 "nah dran an den Menschen". Dies zeigt sich im biographischen Ansatz, in unterfahrbaren Texttafel-Konstruktionen für Rollstuhlfahrer, englische Übersetzungen, einer Kinderebene sowie zahlreiche Hands-On-Stationen, aber auch in unkonventionellen Events und künstlerischen Projekten. Schließlich ist "Partizipation, Inklusion und Interaktion" nicht nur vordergründig zu verstehen, hier geht es vielmehr um die Haltung eines Hauses auf dem Weg vom exponatzentrierten zum publikumsorientierten Museum. Wir sind gespannt, wie es weitergeht auf der Henrichshütte und danken für die Gastfreundschaft.
Guido Fackler (Sept. 2017)
Kontakt
Guido Fackler, Universität Würzburg, Professur für Museologie, Oswald-Külpe-Weg 86, 97074 Würzburg, 0931/31-85607, guido.fackler@uni-wuerzburg.de
Robert Laube, Leiter Henrichshütte Hattingen, Werksstraße 31-33, 45527 Hattingen, Tel. 02324/9247-122, robert.laube@lwl.org