Intern
Professur für Museologie

Provenienzforschung

Restitutionsfall im Uni-Museum

Ein Tragaltärchen, dessen Provenienz Nora Halfbrodt im Rahmen des DZK-Projekts der Würzburger Museologie erforscht hat, wurde in der NS-Zeit einer jüdischen Familie entrissen. Die Erben zeigen jedoch eine Geste der Versöhnung: Eine Schrifttafel erinnert nun an das Schicksal des Werkes in der Gemäldegalerie des Universitätsmuseums.

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Auf Spurensuche im Martin von Wagner Museum: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt erstmals Projekt für bayerische Universitätssammlung

Gibt es im Martin von Wagner Museum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) Gemälde, die in der NS-Zeit unrechtmäßig erworben wurden? Ein neues Projekt der Museologie geht diese aktuelle Forschungsfrage an und bezieht Studierende des Studiengangs „Sammlungen-Provenienz-kulturelles Erbe“ ein.

Immer wieder werden in Museen Objekte ermittelt, die zwischen 1933 und 1945 ihren ehemaligen Eigentümern unter Zwang abgenommen wurden. Die Erforschung der ‚Biografie‘ dieser Objekte, die sog. Provenienzforschung, zielt darauf ab, die Geschichte von Kunst- und Kulturgütern aufzuklären. Sobald sich Verdachtsfälle ergeben, soll eine faire und gerechte Lösung mit den Nachkommen der früheren Eigentümer gesucht werden. Das betonte Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, anlässlich des ersten Tags der Provenienzforschung: „Die Erforschung der Erwerbsgeschichte zählt zu den wichtigen Aufgaben unserer Museen im Freistaat. Restitutionsforderungen wollen wir umfassend nachgehen und aufklären.“ (Pressemitteilung Nr. 75 vom 10.4.2019)

Das nun angelaufene Forschungsprojekt der Professur für Museologie der JMU wird – neben einem Eigenanteil von Philosophischer Fakultät und JMU – finanziell größtenteils durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg getragen. Nach dessen Aussage handelt es sich um ein Projekt mit „Leuchtturmcharakter“, weil erstmals eine universitäre Sammlung in Bayern daraufhin erforscht wird, ob sich NS-Raubkunst in ihrem Besitz befindet. 

Einer der Würzburger Verdachtsfälle ist ein Tragaltar aus dem 16. Jahrhundert. Das kleine Triptychon mit Reliquie wurde 1939 von der Kunsthandlung Sonnen erworben. Der Inhaber dieser Kunsthandlung übernahm das Geschäft 1937 von den jüdischen Geschwistern Ernestine und Sigmund Seligsberger, denen vom NS-Regime der Handel mit Kunstgegenständen verboten worden war. Ernestine Seligsberger starb 1939 in einem Würzburger Pflegeheim, Sigmund floh mit seiner Frau Sara und einem Sohn über Berlin in die Niederlande, von wo aus sie deportiert und ermordet wurden. Ein weiterer Sohn, Leo Seligsberger, war geistig behindert und starb mit nur 20 Jahren in einer österreichischen Pflegeeinrichtung. Ob das genannte Altarbild noch aus dem Besitz der Familie Seligsberger stammt, gilt es nun zu ermitteln. 

Das Projekt unter Leitung von Museologie-Professor Guido Fackler hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Dabei arbeitet die wissenschaftliche Mitarbeiterin Nora Halfbrodt auch die Geschichte der Kunsthandlung und des Museums auf, worüber sich Prof. Dr. Damian Dombrowski, Direktor der Neueren Abteilungdes Unimuseums, besonders freut: „Was im Martin von Wagner Museum während der Naziherrschaft passierte, ist bisher nicht näher beleuchtet worden. Aber gerade einer Würzburger Sammlung muss es ein Herzensanliegen sein zu klären, ob mit der Ankaufpolitik dieser Zeit einer Würzburger Familie möglicherweise schweres Unrecht zugefügt wurde.“Nicht zuletzt profitieren die Studierenden des von den Fächern Geschichte, Kunstgeschichte und Museologie gemeinsam betriebenen Masterstudiengangs „Sammlungen – Provenienz – Kulturelles Erbe“, dem deutschlandweit ersten seiner Art, von diesem Forschungsprojekt: durch gemeinsame Übungen, Lehrprojekte und eventuelle Abschlussarbeiten.

Laufzeit: Mai 2019 bis Mai 2021
Förderung: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
Leitung: Prof. Dr. Guido Fackler guido.fackler@uni-wuerzburg.de
Wiss. Mitarbeiterin: Nora Halfbrodt MLitt nora.halfbrodt@uni-wuerzburg.de

Kooperationspartner: Prof. Dr. Damian Dombrowski (Direktor der Neueren Abteilung des Martin-von-Wagner Museums der JMU), Prof. Dr. Eckhard Leuschner (Institut für Kunstgeschichte der JMU)

Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt rund 2 Millionen Euro für 20 Projekte der Provenienzforschung



Öffentliche Fachvorträge im Rahmen des DZK-Projekts

Nora Halfbrodt MLitt. zum Thema „Seligsberger: Die Würzburger Kunsthandlung im Visier der Forschung“ am „Tag der Provenienzforschung“ (Professur für Museologie und Museum am Dom, Würzburg, 10. April 2019).

Prof. Dr. Guido Fackler in der Sektion Wissenstransfer Theorie–Praxis zum Thema „Der Master-Studiengang ‚Sammlung – Provenienz – Kulturelles Erbe‘ (SPkE) der Uni Würzburg“ auf der Herbsttagung des Arbeitskreis Provenienzforschung e.V.  (in Kooperation mit der Landeshauptstadt, der Stadt Köln, dem LVR sowie dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, Düsseldorf, 11. bis 13. November 2019).

Videointerview hierzu von „Museumsfernsehen“.

Nora Halfbrodt MLitt. zum Thema „Einblicke in die Provenienzforschung: Die Erwerbungen des Martin von Wagner-Museum 1933-1945.“ Als Gastreferentin für den Lions-Club Würzburg, 23.07.2020 (online).

Nora Halfbrodt MLitt. zum Thema „Der Kunstschutzoffizier Hans Möbius und das Martin von Wagner- Museum Würzburg“ bei der Digitalkonferenz „Die Museen und der französische Kunstmarkt während der deutschen Besatzung/Les musées et le marché de l’art français sous l’Occupation allemande“ (TU Berlin, 8. bis 9. Oktober 2020, Online).


Universität Würzburg Mitglied des Forschungsverbunds Provenienzforschung Bayern

Im Herbst 2018 wurde die JMU als Mitglied in den Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern (FPB) aufgenommen. Dieser ist 2015 auf Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gegründet worden und dient der Vernetzung wie dem Austausch aller staatlicher Institutionen in Bayern, die sich mit Provenienzforschung befassen. 

Provenienzforschung an der JMU: Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern

Die Universität Würzburg in den Jahresberichten des Forschungsverbunds

Fackler, Guido: Julius-Maximilians-Universität Würzburg [Bericht über den SPkE-Studiengang]. In: Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern (Hg.): Tätigkeitsbericht 2018, S. 6, 12, 42-44, 144, 151, 165, 178. Download

Fackler, Guido / Halfbrodt, Nora: Julius-Maximilians-Universität Würzburg [Bericht über das DZK-Projekt und den SPkE-Studiengang]. In: Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern (Hg.): Tätigkeitsbericht 2019, S. 14, 49-53, 95, 105, 106, 111, 112, 113, 114, 116, 118,120, 125. Download


„Tag der Provenienzforschung“ in Würzburg

Informationen über den vom DZK-Projekt in Würzburg initiierten „1. Tag der Provenienzforschung“, der im deutschsprachigen Raum vom AK Provenienzforschung veranstaltet wird, finden sich hier. Die Veranstaltung musste 2020 auf Grund der Corona-Pandemie ausfallen; als Ersatz wurden verschiedene Beiträge, auch über unser Projekt, auf unserer Facebook-Seite veröffentlicht.