Fragestellung und Ziele
Der Forschungsgegenstand der KFG MagEIA ist eine überaus reiche Gruppe von Texttraditionen, die als „magische Texte“ bezeichnet werden. Dabei steht eine große Zahl von Ritualanweisungen und Rezitanda neben erläuternden Texten unterschiedlicher Art sowie Schriftdokumenten, die selbst Teil magischer Ritualpraktiken waren.
Das Überlieferungsbild durch die Epochen und Regionen ist vielgestaltig: Keilschrifttexte in verschiedenen Sprachen, Inschriften in ägyptischen Hieroglyphen, Papyri mit hieratischen, demotischen, koptischen und griechischen Texten, mit griechischen und lateinischen Inschriften versehene Fluchtäfelchen, aramäische Zauberschalen und vieles mehr – sie alle sind Gegenstand spezialisierter Philologien, die sich der Entzifferung, Edition und Interpretation der jeweiligen Texttradition widmen.
Gemeinsam ist diesen vielgestaltigen Texttraditionen, dass sie als Schlüsselquellen für die Kulturgeschichte des Altertums erkannt worden sind. Sie geben Aufschluss über religiöse Anschauungen, frühes Weltverständnis, gelehrte Traditionen und Vorformen von Wissenschaft. Sie werfen Licht auf soziale und kulturelle Normen, aber auch auf Konflikte und die prekäre Existenz des Individuums in vormodernen Gesellschaften. Gemeinsam ist diesen Texten auch, dass sie als Zeugnisse einer Wissenstradition gelten, die eine gewisse Zusammengehörigkeit besitzt und – vielfach vermittelt – bis in unsere Gegenwart wirksam ist.
Tatsächlich ist die Forschung zu den magischen Texttraditionen gegenwärtig von zwei Paradigmen bestimmt:
Auf der einen Seite bevölkern aus den jeweiligen Philologien hervorgehende Studien von weltweit verstreuten Experten das Forschungsfeld. Konferenzbände führen sie zusammen; Handbücher stellen Überblicke additiv nebeneinander.
Auf der anderen Seite blicken global angelegte Darstellungen makroskopisch auf die verschiedenen Texttraditionen, die dann wie Sterne mit bloßem Auge am Nachthimmel erscheinen: faszinierend, irgendwie ähnlich, aber nur schemenhaft erkennbar.
MagEIA dagegen möchte gleichsam ein Raumschiff sein, das hochspezialisierten Philologien erlaubt, andere Texttraditionen nicht nur schemenhaft wie Sterne mit bloßem Auge zu sehen, sondern in einem gemeinsamen Kolleg unter Anleitung von Spezialisten diese fremden Sterne studierend zu besuchen. Mit der Einrichtung eines internationalen Kollegs für die interdisziplinäre und komparatistische Forschung zu magischen Texttraditionen wollen wir die Addition von disziplinären Beiträgen durch gemeinsame, interdisziplinäre Arbeitsformate ergänzen; wir wollen der Rezeption von Handbuchbeiträgen die unmittelbare Auseinandersetzung mit den Textquellen an die Seite stellen und ephemere Treffen durch dauerhafte Zusammenarbeit konsolidieren.
Methodisch gehen wir dabei von einer pragmatischen Definition ‚magischer Texte‘ aus, die etische und emische Kategorien gleichermaßen reflektiert. Mit einem Forschungsprogramm, das Texte in den Mittelpunkt stellt, ist MagEIA den philologischen Standards der Einzeldisziplinen verpflichtet; zugleich besitzt gerade für magische Texte die Materialität der Überlieferung erhebliche Signifikanz. Insgesamt ist MagEIAs Forschungsansatz kulturübergreifend vergleichend; Verflechtungen und Wechselwirkungen werden dabei ebenso erforscht wie voneinander unabhängige, teils analoge, teils differente Entwicklungen.
Die Arbeit der KFG MagEIA wird durch drei Forschungsbereiche (Research Areas: RA) und jährliche Schwerpunktthemen (Annual Focus Themes) strukturiert.