Steinzeug
08/01/2007Rätsel am Hinteren Berg zwischen Landersdorf und Thalmässing (aus: "Bayerische Archäologie" 3/2007, 32-34)
Wenn man am Hinteren Berg oberhalb des Thalachtales über die Wiesen und durch die grünen Wälder läuft, würde man nicht meinen, dass eine handbreit unter dem Humus nur steiniger Fels liegt: Plattenkalk. Freigeschoben aber ergibt sich ein recht trostloser Blick aufs scheinbar steingraue Einerlei. Da braucht man dann etwas Humor und einen guten Besen, um daran seine (archäologische) Freude zu haben. Hat Markus Schußmann, und haben seine Grabungshelfer. Denn hier auf der Höhe galt es im August zu entdecken, wer in grauer Vorzeit auf dem Felshügel saß. Frage Nummer 1: Waren es die Vorfahren derer, die später in der Hallstattzeit dann ein paar Kilometer weiter auf der Göllersreuther Platte einen Hof mit repräsentativer Mauerumwehrung errichteten (s. Bericht in Heft 2/07).
Denn eines wusste man von früheren Untersuchungen, die die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg in den Jahren 1989 – 91 am Hinteren Berg vorgenommen hat: Hier lebten Leute der Chamer Gruppe, dann gibt es urnenfelderzeitliche Spuren (1300-800 v. Chr.), die aber abbrechen, als es drüben auf der Göllersreuther Platte hallstattlich lebendig wird. Aus späterer Epoche sind am Hinteren Berg dann wieder ungarnzeitliche Häuser und eine Mauer nachzuweisen ( Mitte des 10. Jahrhunderts n. Chr.).
Spannend ist für das derzeitige Forschungsprojekt die Siedlung der Urnenfelderzeit: Bekannt war ein zwei Meter breiter Graben, ein Meter tief, sowie eine Holz-Erde-Stein-Mauer, die durch ein Schadfeuer zerstört wurde. Geomagnetische Untersuchungen vor zwei Jahren deuteten auf weitere Gräben hin...
Markus Schußmann geht auf den Steinplatten ein paar Schritte weiter, wo die Großflächige Plattenstruktur abrupt kleinteilig wird (s. Foto oben). „Hier haben wir nun das Besondere“, sagt der Würzburger Archäologe, „einen vier Meter breiten Graben, wieder einen Meter tief in den Fels geschlafen, und im Abstand von drei bis vier Metern dahinter eine doppelte Palisadenreihe, die auch wieder in den Fels eingetieft ist.“ Die Reihen wurden nacheinander errichtet. In der Verfüllung befindet sich verbranntes Steinmaterial aus dem zerstörten urnenfelderzeitlichen Wall, was dafür spricht, dass die Palisaden etwa zur gleichen Zeit bestanden haben und damit die Siedlung dazu urnenfelderzeitlich wäre; allerdings gibt’s wenig Fundmaterial dazu – mehr aus der Chamer Gruppe, Endneolithikum also ... Könnte aber sein, sagt Markus Schußmann und wird etwas lauter, weil ein Düsenjäger drüberdonnert, dass das Chamer Material einfach noch zuhauf hier rumlag und auch besser erkennbar, weil stärker verziert ist.
Im Hintergrund hört man jetzt wieder das helle Schlagen auf die Albsteine; die Helfer, Studenten der Uni Würzburg, schaufeln die Brandmauer frei, Schußmann fährt fort: „Der urnenfelderzeitliche Siedlungsbereich umfasst etwa 0,6 Hektar, was der Anlage später in der Hallstattzeit auf der Göllersreuther Platte entspricht – was Anlass für die Vermutung war, dass wir hier eine Vorgängersiedlung hatten. Was ein Problem ist: Wir können keinen direkten Anschluss gewinnen, wir haben keine Funde, die in die ältere Hallstattzeit weisen.“ Was allerdings auch nicht üblich wäre, die Siedlung der älteren Hallstattzeit würde vermutlich eher im Tal gelegen haben. Spuren in der Umgebung bei Hagenich, gäbe es diesbezüglich.
Ein bisserl seltsam: Am Hinteren Berg gibt es für die Urnenfelderzeit zwar Befestigungen, aber bisher keine Siedlungsspuren wie Pfostenlöcher. Jedoch, sagt Schußmann, sei die Kulturschicht direkt am Wall relativ mächtig gewesen, sodass vielleicht dort eine randständige Bebauung an die Mauer angelehnt war.
Der verfüllte Graben? Deutlich sichtbar ist ja, dass dort kleinteiliges Felsgestein drin liegt, also verfüllt wurde. Aber wann? Ausgräber Schußmann vermutet eine teilweise Verfüllung schon kurz nach der Aufgabe der Mauer, im Hochmittelalter dürften die Gräben dann ganz eingeebnet worden sein, da sich mittelalterlich Scherben in den Gräben fanden.
Und so zeichnet sich derzeit folgendes Bild für den Bergsporn „ Hinterer Berg“ ab: Nach Norden, Osten und Süden hin endet das Plateau an steilen Hängen und dürfte dort zu allen Zeiten eher leicht - mit einer Palisadenwehrung – befestigt gewesen sein; nach Westen, wo das Gelände offen und eben gen Jura geht, scheinen diverse Verteidigungsanlagen im Laufe der Jahrtausende errichtet worden zu sein: Ein Graben der Chamer Gruppe, ein erster Graben der Urnenfelderzeit mit dazugehöriger Holz-Erde-Stein-Mauer, einige Schritte dahinter ein zweiter wohl urnenfelderzeitlicher, vier Meter breiter Graben mit dahinter errichteter Doppelpalisade ( s. auch Kasten Seite 34).
Erstaunlich jedenfalls ist, dass schon kurz nachdem sie systematische Besiedlung der Frankenalb in der Urnenfelderzeit einsetzt gleich überall in dieser Gegend Höhensiedlungen entstehen, die dann aber zur Hallstattzeit hin verschwinden. Wenn man nicht von einem Bevölkerungsschwund ausgehen will – Schußmann tut es nicht -, müssen soziale Veränderungen dazu geführt haben, dass eine (repräsentative) Höhensiedlung ( auf der Göllersreuther Platte) für die Region ausgereicht hat.
Erst fürs Mittelalter tauchen wieder Mauerreste auf: Diese dürften zu einer Art Wehrburg gehört haben, die man zur Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert als Fliehburg erbaut hatte. Darauf deutet übrigens auch der Name „ Hinterer Berg“ hin: Im Volksmund hat sich wohl die originale Fassung erhalten – die Berch. Von bergen bzw. Burg.
Nach Ende der Grabung auf dem Hinteren Berg gibt hier Grabungsleiter Markus Schußmann einen kurzen Abschlussbericht:
Am aussagefähigsten waren die Ergebnisse in dem 32 x 5 Meter messenden Schnitt 1, der unmittelbar nördlich an den Grabungsschnitt der NHG anschloss und die Anbindung in den urnenfelderzeitlichen Innenraum lieferte. Ganz im Westen liegt der im oberen Bereich drei Meter und unten noch zwei Meter breite Graben, der rund einen Meter tief aus dem anstehenden Plattenkalk gebrochen ist. Seine Verfüllung ist gut erkennbar von Osten her, also aus dem Bereich der zerstörten Mauer eingefüllt, und besteht vorwiegend aus Kalkstein, die teilweise locker und mit wenig Erde in den Zwischenräumen geschichtet sind.
Nach einem Zwischenraum von vier Metern, der sogenannten Berme, begleitete den Graben im Osten eine komplex aus mehreren Komponenten aufgebaute Mauer. Ihr Grundgerüst bestand aus vertikalen Holzpfosten, die in einer Doppelreihe mit Abständen von etwa 2,5 Metern angeordnet waren. Die Gruben für die Pfosten waren ebenfalls in den Fels gehauen, die Pfosten teilweise mit Steinen darin verkeilt. In Längs- und Querrichtung waren sie durch weitere Hölzer untereinander verbunden und besaßen zusätzlich zahlreiche weitere Querriegel, die eine rostartige Konstruktion des Bauwerks ergaben, nachzuweisen nur mehr indirekt, über streifenartige Spuren verbrannten Kalkes. Auf der Frontseite war die Mauer mit großen Kalkplatten verblendet und unmittelbar dahinter folgte eine weitere Reihe, während der Rest mit kleinerem Steinmaterial ausgefüllt war. Obwohl der Wall dieser Mauerruine heute im Gelände nur mehr schwer zu erkennen ist, dürfte für die einstige Befestigungsanlage doch eine Höhe von mindestens 2,5 Meter zu rekonstruieren sein, die sicherlich vorhandene Brustwehr noch nicht berücksichtigt. Die Mauer war aufgrund ihres hohen Durchsatzes mit Holz sehr feuergefährdet und war in der Tat auch durch einen Brand zerstört worden. Allerdings ist es nicht möglich dieses Ereignis mit einer kriegerischen Auseinandersetzung in Zusammenhang zu bringen, da Waffenfunde dieser Zeit vom Hintern Berg – zumindest bislang – gänzlich fehlen. Zur genauen Datierung dieser Befestigungsphase wird erst die C-14-Datierung der aus den Pfostengruben geborgenen Holzkohlen Gewissheit bringen. Einige Meter östlich konnte ebenfalls ca. einen Meter tiefer, allerdings diesmal vier Meter breiter Graben aufgedeckt werden, der eine ganz ähnliche Einfüllung wie der Erste aufwies. Zu ihm gehören, abermals nach einer Berme von einigen Metern Breite, zwei einander überschneidende Palisadengräbchen, von denen das ältere etwa einen halben, das jüngere etwa einen Meter in den Fels eingetieft ist. Einem deutlich mächtigeren Graben ist hier eine deutlich einfachere Wehranlage in Form einer hölzernen Palisade zugehörig. Leider ist dieses Befestigungswerk bisher nicht abschließend zu datieren, da das Fundmaterial noch nicht gereinigt vorliegt. Eine größere Menge urnenfelderzeitlicher Funde in den oberen Schichten des Wehrgrabens sowie zahlreiche durchglühte Kalksteine in allen drei Befunden, die eigentlich nur von der verbrannten Mauer stammen können, sind indes Hinweise auf eine Nachzeitigkeit dieser Anlage.
Markus Schußmann