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Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Pressespiegel - Meldung

Einblick ohne Spatenstich

03/01/2008

Archäologen erkunden jahrtausendealte Fundstätten mit moderner Technik (aus: "Mainpost" 01. 03. 2008)

 

WÜRZBURG Archäologen graben. Aber nicht nur. Und vor allem nicht drauflos. Bevor Frank Falkenstein und seine Kollegen zu Spaten und Schäufelchen greifen, versuchen sie die Strukturen im Boden mit geophysikalischen Methoden zu ergründen, suchen sie geomagnetische Unregelmäßigkeiten im Acker. „Ohne Prospektion stochert man im Hügel“, sagt der Professor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie.

Viele Tausend Jahre alt sind die Spuren und Hinterlassenschaften, die Frank Falkenstein erforscht. Die Methoden sind hochmodern. Durch verschiedene Prospektionsmethoden können die Archäologen nämlich schon vor der Grabungsarbeit eine Fülle von Informationen über die späteren Befunde erhalten. Der Acker am Rande des slowakischen Erzgebirges, auf dem der neue Würzburger Professor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie in den kommenden Jahren forschen wird, ist – unwissenschaftlich betrachtet – eben ein Acker. Für Falkenstein ist er schon bei oberflächlicher Betrachtung viel mehr. In den 60er Jahren hatten Archäologendort, auf dem Siedlungshügel von Fidvár bei Vráble, schon einmal gegraben. Und dort reichlich Keramik und zwei Befestigungsgräben der Frühbronzezeit zutage gefördert. Vom letzten Viertel des dritten Jahrtausends bis zur Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus mussten in dem Gebiet, von dem aus die Gold und Zinnlagerstätten leicht erreichbar waren, Menschen gesiedelt haben.

Ein Luftbild von 2002 zeigte nun ein weiteres bogenförmiges Befestigungswerk, weit vor dem bekannten Graben. Ein Hinweis darauf, dass die Ansiedlung viel größer war als gedacht. Und für den Archäologen Falkenstein aufregend genug, den Siedlungshügel näher zu untersuchen.

Im vergangenen Sommer ging der Vor- und Frühgeschichtler mit deutschen und slowakischen Kollegen ins Feld: Mittels Differential-GPS erstellten sie die Topographie des 15 Hektar großen Areals, Studenten gingen mit Messgeräten die Ackerflächen auf und ab für die geomagnetische
Prospektion.

Die erlaubtenden Archäologen einen Blick in den Boden ohne einen einzigen Spatenstich: Geomagnetische Anomalien treten zutage. Grundrisse von rechteckigen Gebäuden, Häusergruppen, Bebauungszeilen. Objekte aus Lehm oder Ton werden durch das Brennen nämlich dauerhaft magnetisiert – ein glücklicher Umstand für neuzeitliche Forscher. Feuerstellen, Herde, Öfen oder Lehmziegel sind damit messbar. Unmagnetisches Steinmaterial von Straßen, Mauern, Fundamenten dagegen hinterlässt bei der Messung einen „negativen“
Abdruck.

Geoelektrische Bodenprofile liefertenden Forschern dazu Hinweise, wie bis in sieben Metern Tiefe in Fidvár die Sedimentschichten verlaufen. Weil Archäologen die Anfänge der Menschheit erforschen, die schriftlosen Zeiten, sind sie angewiesen auf neue Informationsquellen und naturwissenschaftliche Methoden.

Durch die geoelektrische Prospektion stießen die Forscher in der jüngsten Siedlungsschicht ganz unerwartet auf aufwändige steinerne Bebauung: bislang einmalig in diesem Raum. Im nächsten Schritt wird Hand angelegt: In kleinen Probeschnitten wollen die Archäologen überprüfen, ob es tatsächlich größere Steinmauern gab.

So rückständigSüdosteuropa heute den Mitteleuropäern scheint – „in prähistorischer Zeit war es genau umgekehrt“. Die meisten technischen Innovationen kamen aus dem Südosten. Inder Zeit, als der Rand des slowakischen Erzgebirges schon dauerhaft besiedelt war und die Menschen dort Metall verarbeiteten, gab es in hiesigen Breiten allenfalls einzelne, kleine Siedlungsflecken.

Wie lebten die Menschen einst wohl in Fidvár? Hatten sie Haustiere? Betrieben sie Ackerbau? Wie war ihr Dorf organisiert? Waren die Gewerbe schon spezialisiert? Auf Fragen zu Ökonomie und Technik finden die Archäologen zuverlässige Antworten: Das frühbronzezeitliche Wirtschaften lasse sich durch die Funde nahezu lückenlos rekonstruieren, sagt Falkenstein. Was ist mit den Aussagen über die Menschen hinter den Funden, über ihr Zusammenleben? „Wir haben eine faire Chance, das für bestimmte Perioden und Regionen ausschnitthaft zu rekonstruieren.“ Waren Männer und Frauen gleichgestellt? Wie etwa wurden Kinder behandelt? „Beste Indizien für soziale Strukturen sind Gräberfelder“, sagt Falkenstein. Denn das Bestattungsbrauchtum liefert reichlich Information: Die Beigaben sprechen.

Am Fundort bei Vráble ist es für komplexe Fragen noch zu früh, erst einmal geht es ums systematische Dokumentieren. Deutsche und slowakische Studenten teilten im vergangenen Sommer das Gelände in Planquadrate, gingen die zwölf Hektar noch einmal ab – und sammelten alles aus, was an der Oberfläche sichtbar war. Gewaschen, gewogen, gezählt und in einer Datenbank erfasst kamen so rund zwei Tonnen archäologisches Fundmaterial zusammen – Keramik vor allem, aber auch Hüttenlehm, Tierknochen, Mahlsteine und andere Hinterlassenschaften aus Ton und Stein, Geweih und Metall.

Doch was sagen die Scherben aus? Anhand der Karte der Keramikmengen können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Größe und Form der Siedlung ziehen. So muss es eine
ganze Reihe von Siedlungsstellen vor dem Siedlungshügel gegeben haben, die sich kranzförmig um den äußeren Rahmen gruppierten.

Von der Aunjetitzer-Kultur, auf die die gefundene Keramik weist, kenne man bislang nur Weiler und einzelne Höfe. Die Siedlung in Fidvár aber muss eine Boom-Town, eine bronzezeitliche Goldgräberstadt gewesen sein, vermutet Falkenstein. Ambosse und Gusslöffel konnten die Forscher finden, Tondüsen, das Fragment einer Gussform, ein kleines Bronzeschmuckdepot und andere Produktionsreste.

Die Ausbeutung der nahen Gold und Zinnlagerstätten dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass auf dem fruchtbaren Löss vor über 4000 Jahren eine Siedlung gegründet worden war, die sich über die Jahrhunderte prächtig entwickelte. „Eine Siedlung von bemerkenswerter Dimension.“ Im großem Projekt wollen die Forscher nun in den kommenden Jahren in die Tiefe gehen: „Durch die Prospektionen habenwir konkrete Vorstellungen davon, was wir ausgraben wollen.“

Autorin: Alice Natter 

Weiterführende Informationen zum Projekt Vráble-Fidvár finden Sie auf unseren Projektseiten!

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