Der Geschichte auf der Spur
08/28/2018Es ist viel los auf dem Acker von Martin Schleyer bei Repperndorf: Wo sonst der Weizen wächst, machten sich jetzt Archäologen an die Arbeit.
Der Acker sieht nicht mehr aus, wie er einmal war. Eine 20 x 7 Meter große Grabungsfläche ist abgesteckt, junge Männer und Frauen tragen dort Schicht für Schicht das Erdreich ab. Auf einer anderen Grabungsfläche wird eine beinahe mannshohe Grube ausgehoben. Dem Besitzer der Fläche, Martin Schleyer, macht das ganz offensichtlich nichts aus. Mit seinem Bagger hat er für die Archäologen den knochentrockenen Oberboden abgeschoben und greift manchmal selbst zum Spaten, hilft mit. Der Geschichte auf der Spur.
Professor Dr. Frank Falkenstein steht am Rand einer Grube und schaut zufrieden drein. Vor drei Wochen ist er hier mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Nils Ostermeier und zehn bis 15 Archäologiestudenten der Uni Würzburg zu einem Ausgrabungspraktikum angerückt. Hier, am Rande der Kitzinger Gemarkung, in Sichtkontakt zu Westheim und den Windrädern oberhalb von Repperndorf, haben Archäologen schon in den 70er-Jahren dank Luftaufnahmen eine interessante Entdeckung gemacht. „Entlang dieser Linie verlief einmal ein Befestigungsgraben, der den Bergsporn abriegelte. Wohl erst viele Jahrhunderte später umzog dann eine Holzpalisade den gesamten Bürgerberg“, erklärt Falkenstein und deutet auf den Ausdruck eines geomagnetischen Bildes. Dunkle Flecken sind darauf zu sehen und, etwas heller, ein paar mausgraue Striche, die mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar sind. Die Vermutung der Wissenschaftler: Hier am Rand des Repperndorfer Mühlbachtals könnten bereits vor mehreren tausend Jahren wiederholt Menschen gelebt haben. „Quellen in der Nähe, ein fruchtbarer Boden und die verkehrsgünstige Lage luden zum Siedeln ein“, sagt Falkenstein.
Drei Wochen lang haben die Studenten bei sengender Hitze die Bodenbefunde Stück für Stück freigelegt. Sie haben das Erdreich durch ein großes Sieb gelassen, um prähistorische Fundstücke heraus zu filtern. Sie haben Probenmaterial aus tieferen Schichten geborgen und es zur so genannten Radiokarbondatierung in ein Speziallabor nach Mannheim geschickt. „Wir können so das Alter von Knochen und Holzkohle datieren“, erklärt Falkenstein. Drei Monate wird es etwa dauern, bis die ersten Ergebnisse vorliegen.
Auch deshalb halten sich die Erkenntnisse rund um die Ausgrabungsstätte noch in Grenzen, wie Falkenstein offen zugibt. Immerhin: Keramikscherben, Feuersteingeräte und ein Hirschgeweih konnten geborgen werden. Der ehemalige, von Menschenhand geschaffene Graben stammt vermutlich aus der späten Jungsteinzeit (ca. 4000-2800 vor Christus) und gehörte zu dem zentralen Ort eines größeren Gebietes. Die weitläufige Palisade scheint dagegen aus der Spätbronzezeit zu stammen (spätes zweites Jahrtausend vor Christus). Ein paar Scherben, die im Fundamentgraben der Holzbefestigung gefunden wurden, deuten jedenfalls darauf hin. Dass sich die Ansiedlung einmal ganz in der Nähe eines wichtigen Verkehrsweges befunden hat, steht für Falkenstein zweifelsfrei fest. Reibsteine aus Basalt und Buntsandstein, die im Acker von Martin Schleyer gefunden wurden „müssen von weit her an diesen Platz transportiert worden sein.“
Mit einem enormen technischen Aufwand sind die Archäologen ans Werk gegangen. Noch vor dem ersten Spatenstich haben sie mit einem Magnetometer großflächig den Untergrund erkundet. Mit Industriesaugern werden die Funde freipräpariert und mit einem Tachymeter zentimetergenau dreidimensional eingemessen. Darüber steht ein Quadrokopter in der Luft und liefert senkrechte Detailfotos von der Ausgrabung. Wären Fachfirmen mit diesen Aufgaben betreut worden, hätte das laut Falkenstein Kosten in Höhe von rund 30 000 Euro verursacht. „Die Uni Würzburg bestreitet die Arbeiten mit ihren eigenen Personal- und Sachmitteln“, informiert er. „Das ist quasi ein Geschenk von uns an die Stadt Kitzingen“.
Der Gewinn der Untersuchungen steht für Falkenstein außer Zweifel. „Die Siedlungsgeschichte der Stadt Kitzingen wird durch diese Arbeit ein Stück klarer“, sagt er. Die Ergebnisse des dreiwöchigen Ausgrabungspraktikums werden penibel dokumentiert und sollen in einem Fachaufsatz veröffentlicht werden.
Von den Gruben ist in Kürze nichts mehr zu sehen. Die Ausgrabungen werden mit einem Geo-Vlies abgedeckt und dann wieder verfüllt. „Quasi eingemottet“, wie es der Archäologe erklärt. So erhalten sich die Forscher die Option, noch einmal zur Gemarkung Bürgerberg auf der Repperndorfer Flur zurück zu kommen, um weiter im Erdreich nach Zeugnissen aus der Vergangenheit zu suchen. Martin Schleyer hätte sicherlich nichts dagegen.
In: Die Kitzinger, 189. Jg., Nr. 197, Dienstag, 28.08.2018, Text/Fotos: Ralf Dieter
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