An der Jungfernhöhle lebten Menschen
04/17/2009ARCHÄOLOGIE Eine Forschergruppe der Universitäten Bamberg und Würzburg fand Reste von Siedlungen im Westabbruch der Frankenalb. Der genaue Zweck der Höhle blieb ungeklärt. Die Ausgrabungen werden heute abgeschlossen. (aus: "Fränkischer Tag" 17. 04. 2009)
Tiefenellern - Im dichten Blätterwald befindet sich die Jungfernhöhle. Vor der Felsformation nahe Tiefenellern sind zwischen den Bäumen mehrere Zeltplanen über Gruben aufgespannt. Seit Ende März finden hier im Rahmen des Forschungsprojekts „Die kultische Nutzung von ‚naturheiligen’ Plätzen auf der Nördlichen Frankenalb in der Urgeschichte“ Forschungsgrabungen mit Unterstützung der Oberfranken-Stiftung und des bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz statt.
„Früher waren hier vermutlich keine Bäume“, erklärt Dr. Timo Seregély. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bamberg und leitet gemeinsam mit Frank Falkenstein, Professor am Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Würzburg, die Ausgrabungen.
Die Forscher wollen, gemeinsam mit Studenten beider Universitäten, Felsformationen untersuchen, die rituellen Zwecken dienten, somit religiöse, aber durchaus auch sozialpolitische Plätze in der Urzeit darstellten. Die Jungfernhöhle ist dabei eine besondere Herausforderung, denn es ist bis heute nicht geklärt, ob es sich um einen einfachen Bestattungsort oder doch um eine Opferstätte handelt, an der Menschen rituell getötet wurden bzw. dem Kannibalismus zum Opfer fielen. Grabungen aus den 50er Jahren und darauf folgende Untersuchungen hatten keine eindeutigen Beweise liefern können.
„Die Jungfernhöhle hat etwas Mystisches an sich“, sagt Seregély, denn es hält sich hartnäckig die Legende der drei kopflosen Jungfrauen, die rituellen Tötungen zum Opfer gefallen sein sollen. Daher auch der Name der Höhle. Otto Kunkel, der Leiter der ersten Grabungen 1952, hatte die Höhle komplett ausheben lassen. Es wurden Skelette von 40 (inzwischen vermutet man 41) Individuen gefunden, die hauptsächlich Frauen und Kinder zuzuordnen sind. Dies würde die Opfertheorie bestätigen, denn Frauen und Kinder können als bevorzugte Opfer gesehen werden und einzelne Knochenverletzungen auf Gewalteinfluss zurückzuführen sein. Ein Beweis ist das allerdings nicht.
Dagegen spricht, dass die Skelette unterschiedlich datiert sind: Sie stammen aus der Jungsteinzeit (ca. 3800 vor Chr.), der Bandkeramik (ca. 5000 vor Chr.) und aus der Mittelsteinzeit (ca. 6000 vor Chr.). Die Individuen können demnach auf unterschiedliche Weise in den einzelnen Epochen umgekommen sein.
„Hinzu kommt, dass die Forschungsgrabung ,Kunkel’ teilweise nicht sauber durchgeführt wurde“, meint Timo Seregély. Der Aushub der Höhle, das waren immerhin 120 m³, wurde damals auf den Vorplatz der Höhle gekippt. Zahllose Keramikstücke, aber auch Knochenteile und vereinzelt Pfeilspitzen und Teile eines Steinbeils wurden von der Universitätsforschungsgruppe im alten Aushub gefunden.
Durch geomagnetische Messung konnte festgestellt werden, dass im Vorraum der Höhle eine Siedlung vorhanden war. Diese stammt aus der Bandkeramikzeit, ist also wesentlich später als das älteste Skelett datiert. „In dieser Zeit haben sich die Menschen vom Jäger und Sammler zum Siedler und Bauern gewandelt“, erklärt Seregély. Es wurden Kohlereste gefunden, die auf Feuerstellen hindeuten und Hinweise auf Befestigungen von Hütten. Mit diesem Fund konnte Kunkels Behauptung widerlegt werden, dass an dieser Stelle keine Siedlung vorhanden war.
Die unterschiedlichen Erdschichten geben Aufschluss über die frühere landschaftliche Gegebenheit. Der Boden war sehr fruchtbar, denn er bestand aus feinem Flugsand, der so genannten Lössauflage, was eine gute Voraussetzung für Ackerbau darstellte. Allerdings erschwert das auch die Ausgrabungen, denn „vermutlich gab es früher keine Bäume hier, die Siedlung ist dann weg erodiert“, sagt Seregély. Er ist trotzdem mit den Funden zufrieden. Heute wird die Ausgrabung beendet, die Auswertung geht dann erst los.
Text: Sebastian Martin, Fränkischer Tag
Fotos: Matthias Hoch