DFG-Forschungsprojekt "Die Besiedlung des Stadtbergs von Neuburg a. d. Donau in den vorrömischen Metallzeiten und seine Stellung im Siedlungsgefüge des oberbayerischen Donauraumes."
Ausgangslage
Der Stadtberg von Neuburg an der Donau wird von einem auf das Südufer der Donau übergreifenden Ausläufer der Südlichen Frankenalb gebildet, umfasst eine Fläche von rund 3 Hektar und überragt den Donaupegel um etwa 25 m. Prägend für den Stadtberg ist die Lage sowohl am Schnittpunkt verschiedener Naturräume als auch am Knotenpunkt überregionaler Verkehrswege. Ferner trennt der sich bei Neuburg verengende Donaulauf das Ingolstädter Becken im Osten vom unteren Lechtal im Westen, sodass eine ausgeprägte Grenzlage der Anhöhe zwischen zwei vorgeschichtlichen Siedlungskammern hervorzuheben ist. Das Gebiet um Neuburg ist mit Donauaue, Südlicher Frankenalb, Aindlinger Terrassentreppe, Ingolstädter Becken und Donaumoos in geomorphologischer und naturräumlicher Hinsicht vielfältig ausgestaltet. Mit der unmittelbaren Nähe zum Donaulauf liegt die Kleinregion an einer bedeutenden europäischen Hauptverkehrsachse, die sich hier mit Nord-Süd-Verbindungen kreuzt. So ist Neuburg über die nahe Lechmündung in die Donau mit dem Alpenraum im Süden verbunden, und der Korridor des Wellheimer Trockentales verbindet den Donauabschnitt mit dem fränkischen Schichtstufenland im Norden.
Auf dem Stadtberg bezeugen Steingeräte die Anwesenheit des Menschen bereits im Mesolithikum. Wohl wegen der vorteilhaften strategischen Lage trug der Berg auch im Mittelneolithikum sowie zur Zeit der spät- und endneolithischen Chamer Kultur Siedlungen. Obwohl die Region in der frühen bis mittleren Bronzezeit intensiv besiedelt war, blieb der Stadtberg selbst während dieser Periode von Siedlungsaktivitäten kaum berührt. Einen ersten metallzeitlichen Besiedlungsschwerpunkt erfuhr die Anhöhe dann in der Spätbronze- und Urnenfelderzeit. Eine weitere intensive Siedlungsphase fällt nach einer insgesamt spärlichen hallstattzeitlichen Belegung in die späte Hallstatt- und insbesondere in die frühe Latènezeit.
Einen Glücksfall für die archäologische Erforschung des Neuburger Stadtberges stellen die Tätigkeiten des Kreisheimatpflegers und langjährigen Vorsitzenden des Historischen Vereins Michael Eckstein (1903–1987) dar. Der erste Nachweis einer vorgeschichtlichen Besiedlung des Berges gelang im Jahr 1963, als Eckstein beim Abbruch eines Hauses an der nordwestlichen Hangkante Ausgrabungen durchführte und dabei auf Siedlungshinterlassenschaften der Urnenfelderzeit sowie auf Reste von vorgeschichtlichen und römischen Fortifikationen stieß. Diese Untersuchung markiert den Beginn der intensiven ehrenamtlichen Forschungen Ecksteins und des Historischen Vereins Neuburg a. d. Donau auf dem Stadtberg. Bei zahlreichen kleineren, teils aber auch großflächigen archäologischen Maßnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege wurden in den folgenden Jahrzehnten umfassende spätbronze-, urnenfelder- und eisenzeitliche Funde geborgen sowie Siedlungsbefunde dokumentiert.
Der Stadtberg ist heute mit der Altstadt Neuburgs dicht bebaut. Trotz dieser mittelalter- und neuzeitlichen Bebauung und Überdeckung liegt eine erstaunlich gute archäologische Quellenlage vor. Zwar sind die vorgeschichtlichen Siedlungshinterlassenschaften in einigen Arealen zerstört oder gestört, in anderen Bereichen der Hochfläche hingegen ist die Befunderhaltung trotz der jahrhundertelangen Nutzung des Berges bemerkenswert gut. Mittlerweile ermöglichen über 40 archäologische Maßnahmen ein umfassendes Bild von der vorgeschichtlichen Besiedlung der Höhe. Eine substanzielle Analyse der vorgeschichtlichen Besiedlung des Stadtberges steht allerdings bis heute aus.
Zu den auf dem Stadtberg dokumentierten spätbronze- und eisenzeitlichen Befunden zählen neben Kulturschichten auch zahlreiche Siedlungsgruben, Pfostenstandspuren und Wandgräbchen. Ferner liegen die Befunde zweier Grubenhäuser mit Laufhorizonten vor. Einen außergewöhnlichen Einblick in den lokalen Kult bietet ein 1974 im Rahmen der Kanalisationserneuerung in der Amalienstraße geborgenes Gefäßdepot aus insgesamt 13 in- und übereinander gestellten Keramikgefäßen der späten Urnenfelderzeit. Bei Ausgrabungen in den Randbereichen des Stadtberges konnten die Reste eines mehrphasigen vorgeschichtlichen Walles dokumentiert werden, der die gesamte Hochfläche umschloss. Dieser zum Großteil aus zähem, aus dem Umland der Stadtberges herantransportiertem Lösslehm bestehende Wall stellt mit einer Breite von 12 m und einer erhaltenen Höhe von 5 m ein mächtiges Befestigungswerk dar.
Vorarbeiten
Die Erforschung der vorgeschichtlichen Besiedlung des Stadtbergs von Neuburg a. d. Donau und seines Umlandes ist Gegenstand eines Dissertationsvorhabens von Nils Ostermeier M.A. an der Universität Würzburg.
Einen wichtigen Bestandteil der Arbeit nimmt neben der Auswertung der Befundlage auch die typologische Analyse des Fundmaterials ein. Die Gefäßkeramik sowie die Metallfunde werden einer feinchronologischen Datierung unterzogen sowie in einen regionalen und überregionalen Kontext gesetzt. Da der Stadtberg in einem verkehrsgeographisch äußerst günstig gelegenen Raum liegt, können Fremdeinflüsse, Fernkontakte sowie im Laufe der Zeit divergierende Kulturbeeinflussungen festgestellt werden. Bei der Auswertung des Fundmaterials stehen naturgemäß insbesondere Aspekte wie Form, Zierweise und Machart im Vordergrund.
Auf dem Neuburger Stadtberg ist die gute Befunderhaltung verbunden mit der gründlichen Ausführung von Geländearbeiten durch den Historischen Verein sowie die moderne Grabungstechnik von Bayerischem Landesamt für Denkmalpflege und Grabungsfirmen. Neben den herkömmlichen archäologisch-typologischen Methoden erweist sich die Quellenlage daher auch für eine interdisziplinäre Herangehensweise unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher Disziplinen als ausgesprochen günstig. Die naturwissenschaftlichen Analysen werden durch Sachbeihilfemittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert.
Ziele
Ein Hauptziel des Projektes besteht darin, die Funktion und die Stellung des Neuburger Stadtberges im regionalen und überregionalen Siedlungsgefüge der Bronze- und Eisenzeit herauszuarbeiten. Behandelt werden dabei insbesondere Fragen nach dem Siedlungsablauf, der Siedlungsdichte und Bebauungsstruktur, der Versorgung mit Nahrung, Rohstoffen und Fertigwaren sowie die handwerkliche Produktion, Güterakkumulation und Fernbeziehungen. Ein weiterer Schwerpunkt der Studie wird auf die Wechselwirkungen zwischen Höhensiedlung und Umlandsiedlungen im Wandel der vorchristlichen Metallzeiten gelegt. Dabei bedarf es vor allem der Klärung, in welchen Epochen aus welchen Gründen dem Stadtberg eine zentralörtliche Funktion – etwa als sozioökonomischer Mittelpunkt der Region – zugeschrieben werden kann.
Da für die Klärung grundlegender Fragen der Siedlungsweise und -dynamik – über die konventionelle archäologische Fund- und Befundbearbeitung hinaus – Informationen benötigt werden, die durch die Verknüpfung der archäologischen Basisdaten mit naturwissenschaftlichen Analysen zu gewinnen sind, zielen die Schwerpunkte des mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Teilprojektes auf archäozoologische Untersuchungen und ergänzende Radiokarbondatierungen ab.
Die archäozoologische Bearbeitung der Tierknochenfunde verspricht neben Aufschlüssen über die Fleischversorgung und deren Änderungen im diachronen Vergleich weitere Informationen zur Mensch-Tier-Umwelt-Interaktion, wie die Verbreitung und Nutzung der verschiedenen Tierarten, die Umweltentwicklung, die Einflussnahme des Menschen auf die Landschaft, Ressourcennutzung und Ökonomie, sozioökonomische und soziale Verhaltensweisen bis hin zu Mobilität und Nahrungsimporte.
Neben der zumeist auf keramischem Fundmaterial fußenden relativchronologischen Einordnung von Siedlungsstrukturen sind auch absolute Datierungen für die Absicherung und Präzisierung der Besiedlungsabfolge unverzichtbar. Beginn und Ende der metallzeitlichen Besiedlung, aber auch die Dauer von Siedlungsphasen und einschneidende Ereignisse sollen auf diese Weise zeitlich fixiert und in überregionale kulturhistorische Zusammenhänge gestellt werden. Hervorzuheben sind hier die Bauphasen der mächtigen Befestigungsanlage und mehrere Brandhorizonte als Hinweise auf Zerstörungen.
Text: Nils Ostermeier
Ansprechpartner
Nils Ostermeier M.A.
Prof. Dr. Frank Falkenstein
Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
Institut für Altertumswissenschaften
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Residenzplatz 2, Tor A
97070 Würzburg
nils.ostermeier@uni-wuerzburg.de
frank.falkenstein@uni-wuerzburg.de
Kooperationspartner
Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege
Historischer Verein Neuburg a. d. Donau
PD Dr. Kerstin Pasda, Kassel / Universität München, freischaffende Archäozoologin
Prof. Dr. Joachim Wahl, Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Konstanz, Referat 84, Konstanz
Franz Herzig, Dendrolabor des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dienststelle Thierhaupten
Prof. Dr. Ernst Pernicka / Dr. Ronny Friedrich, rem I Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH, Mannheim
Förderer
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Literatur
M. Eckstein, Keltische und römische Wehranlagen auf dem Stadtberg in Neuburg a. d. Donau. Bayer. Vorgeschbl. 30, 1965, 135–153.
M. Eckstein, Keltensiedlung in der Altstadt in Neuburg. Neuburger Kollektaneenbl. 123, 1970, 60–63.
M. Eckstein, Eine Opferstätte der jüngeren Urnenfelderzeit auf dem Neuburger Stadtberg. Neuburger Kollektaneenbl. 128, 1975, 5–19.
M. Eckstein, Beitrag zur Besiedlungsgeschichte der Oberen Stadt in Neuburg a. d. Donau. Neuburger Kollektaneenbl. 132, 1979, 5–31.
T. Mittelstraß, Die Ausgrabungen im Ostflügel des Neuburger Schlosses 1994 und ihre Bedeutung für die Topographie des Stadtberges in Vorgeschichte und Mittelalter. Neuburger Kollektaneenbl. 144, 1996, 5–74.
K. H. Rieder/A. Tillmann (Hrsg.), Neuburg an der Donau. Archäologie rund um den Stadtberg (Buch a. Erlbach 1993).
C. Schütz-Tillmann, Die urnenfelderzeitliche Besiedlung des Neuburger Stadtberges. In: K. H. Rieder/A. Tillmann 1993, 51–59.
D. van Endert, Zur frühlatènezeitlichen Besiedlung auf dem Stadtberg von Neuburg a. d. Donau. In: K. H. Rieder/A. Tillmann 1993, 61–64.