Stand der Erforschung von vorgeschichtlichen Fundstellen im Gipskarst
Forschungsstand zur Archäologie im Fränkischen Gipskarst
Gipskarst ist eine räumlich begrenzte Erscheinung. Er tritt in der nördlichen Hälfte Deutschlands im Bereich der lithostratigraphischen Gruppe des Zechsteins auf, insbesondere am Südharz, und in Süddeutschland im Verbreitungsgebiet des Gipskeupers bzw. am Steilabfall der Keuperstufe des Süddeutschen Schichtstufenlandes.
Die Mehrzahl der Gipssteinbrüche in Nordbayern konzentriert sich auf das weitere Umfeld der Hellmitzheimer Bucht bzw. den Raum um Iphofen, Lkr. Kitzingen, und der Windsheimer Bucht, Lkr. Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim.
Erstmalig wurden von dort vorgeschichtliche Funde 1892 und 1936 gemeldet. Dabei wurde 1892 lediglich ein frühmittelalterliches Gräberfeld im Zuge eines Gipsabbaus bei Hellmitzheim entdeckt, während 1936 der erste archäologische Fund aus einer natürlich entstanden Hohlform des Gipsgesteins in einem kleinen Steinbruch bei Weigenheim geborgen werden konnte. In den 1950er und -60er Jahren folgte jeweils eine weitere Neuentdeckung einer Fundstelle bei Herbolzheim/Wüstphül und bei Endsee. Während der darauffolgenden zwei Jahrzehnte gingen mehrere Fundmeldungen im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ein und es wurden kleinere Notgrabungen insbesondere bei Ergersheim, Endsee und Nenzenheim von amtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern des BLfD vorgenommen.
Die erste systematische Ausgrabung eines „Dolinenkomplexes“ erfolgte 1990 im Rahmen einer Lehrgrabung durch Artur Berger, Universität Bamberg, in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Nürnberg (BLfD Nbg.). Sie bildet die Grundlage für die erste wissenschaftliche Bearbeitung einer Gipskarstfundstelle (Ullrich 2008, Ullrich 2011, Ullrich/Reimann 2011), die gleichzeitig auch geowissenschaftlich untersucht wurde (Baumhauer/Glaser/ Sponholz/Lorenz 1996, Sponholz 2002). Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich Martin Nadler, erst als Mitarbeiter und dann als Leiter der Außenstelle Nürnberg des BLfD eingehender mit den Fundstellen im Gipskarst beschäftigt und mehrere Vorberichte veröffentlicht (Nadler 1992; Nadler 1999; Nadler 2003; Nadler/Leja 1995).
Seit 1992 fanden im Gebiet der Marktgemeinde Marktbergel erst sporadisch und ab 2001 jährlich, zum Teil mehrmonatige Sicherungsgrabungen im Bereich dreier Gipstagebaue statt. Sie wurden in den Anfängen noch zum großen Teil durch Mitarbeiter des BLfD Nürnberg bestritten. Seit 2006 beschränken sich die Untersuchungen nur noch auf einen einzigen Steinbruch, da die beiden anderen aufgelassen wurden. Das Fundspektrum aus den Verfüllungsschichten der bisher untersuchten Dolinenbefunde erstreckt sich von der Linearbandkeramik über das Jungneolithikum und Endneolithikum fast durchgehend bis zur Hallstattzeit sowie vereinzelt Latènzeit. Besonders in den letzten Jahren wurde eine immer sorgfältigere Grabungsmethodik angewandt und bei einzelnen Dolinen wurden die Verfüllungsschichten bis in 10 m Tiefe unter der Oberkannte verfolgt. Zusätzliche forschungsrelevante Dokumentationsarbeiten und Untersuchungen wie z. B. die Aufnahme großer Mengen unbearbeiteter Steine in eine Datenbank, die Bestimmungen von Tierknochen und Pflanzenresten oder 14C-Datierungen wurden dabei vom BLfD Nürnberg organisiert, in Auftrag gegeben und zum Teil finanziert.
Neben den oben erwähnten Publikationen von M. Ullrich beschäftigt sich auch die Dissertation von P. Honig (Honig 2008) mit Funden aus Gipskarstdolinen im Gebiet der Windsheimer Bucht. Dabei werden die bronzezeitlichen Keramikscherben aus verschiedenen Dolinen von Ergersheim und Marktbergel bearbeitet. Andere Funde und Fundstellen aus dem Bereich der Gipstagebaue fanden bisher nur in den Fundchroniken der Bayerischen Vorgeschichtsblätter oder in den Jahrbüchern des Historischen Vereins Mittelfranken Erwähnung.
Außerhalb der Steinbrüche wurden in der Windsheimer Bucht unter anderem im Gewerbegebiet von Burgbernheim Ausgrabungen mit einer eingehenden Dokumentation der Gipskarsterscheinungen vorgenommen. Im Besonderen sind hierbei die Grabungskampagnen von 2012 bis 2014 zu erwähnen. Die genauen Beobachtungen beim Oberbodenabtrag und die Untersuchung von fraglichen dunklen Verfärbungen erbrachten einerseits neolithische und bronzezeitliche Keramikscherben aus natürlich entstanden Hohlformen und anderseits ein mittels Radiokarbonmethode in die Michelsberger Zeit datiertes Teilskelett, das in einer kleinen Dolinenmulde entsorgt worden war (Beigel/Heyking 2013). Des Weiteren wurden auch fünf hallstattzeitliche Gargruben entdeckt, wobei zwei wohl nach Ende der Nutzung aufgetretene Sackungserscheinungen aufweisen, die ebenfalls auf die Prozesse im Gipskarst zurückzuführen sind (Beigel 2014 im Druck).
Text: Rita Beigel
Literatur:
Baumhauer/Glaser/Sponholz/Lorenz 1996: R. Baumhauer, R. Glaser, B. Sponholz und I. Lorenz, Geowissenschaftliche Untersuchungsergebnisse an einer archäologischen Fundstelle bei Ergersheim in Mittelfranken. Bayer. Vorgeschbl. 61, 1996, 247-254.
Beigel 2012: R. Beigel, Zwei steinreiche Gruben der Hallstattzeit in Marktbergel. Arch. Jahr Bayern 2011 (Stuttgart 2012) 51-53.
Beigel/Heyking 2013: R. Beigel, K. von Heyking, Zwei Pfeile im Rücken – Ein Michelsberger Skelettfund aus dem Gipskarst bei Burgbernheim. Arch. Jahr Bayern 2012 (Stuttgart 2013) 25-27.
Beigel 2015: R. Beigel, Hallstattzeitliche Gargruben im Gewerbegebiet von Burgbernheim. Arch. Jahr Bayern 2014 (Stuttgart 2015). (im Druck)
Kriens 2013: B. Kriens, Viele Steine und ein Grab der jüngeren Bandkeramik – Neues aus den Dolinen von Marktbergel. Arch. Jahr Bayern 2012 (Stuttgart 2013) 13-15.
Leja 1994: F. Leja, Die Ausgrabung einer Doline mit vorgeschichtlichen Einlagerungen im fränkischen Gipskarst bei Ergersheim, Lkr. Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim. Mittbl. Abt. Karst- u. Höhlenkde. Naturhist. Ges. Nürnberg 27, 1994, 11.
Leja 1996: F. Leja, Die Ausgrabung einer Doline mit vorgeschichtlichen Einlagerungen im fränkischen Gipskarst bei Ergersheim, Lkr. Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim. Die Doline, 6. Jhrg. , H. 1, Pruppach 1996, 5ff.
Honig 2008: P. Honig, Studien zur bronzezeitlichen Keramikentwicklung am Beispiel der Siedlungskeramik der Windsheimer Buch und des süddeutschen Donauraumes. Arbeiten Arch. Süddtl. Bd. 22 (Büchenbach 2008).
Nadler 1993: M. Nadler, Aus den Tiefen eines Steinbruchs – Endneolithische und eisenzeitliche Befunde liefern Erkenntnisse zur jüngeren Talgeschichte. Arch. Jahr Bayern 1992 (1993), 42-44.
Nadler 1994: M. Nadler, H. Brehm, Gewinne einer winterlichen Notgrabung bei Ergersheim. Arch. Jahr Bayern 1993 (1994), 37-40.
Nadler/Leja 1995: M. Nadler, F. Leja, Wasserkult oder Versenkungsopfer? – Ausgrabung eines Ponors im Gipskarst bei Ergersheim, Lkr. Neustadt Aisch / Bad Windsheim. Arch. Jahr Bayern 1994 (1995), 62-66.
Nadler 1995: M. Nadler Archäologische Datierung der Karstphänomene. In: M. Reimann & H. Schmidt-Kaler, Der Steigerwald und sein Vorland. Wanderungen in die Erdgeschichte 13 (München 2002) 46-51.
Nadler 1998: M. Nadler, Kein „reisig Volk von Bogenschützen“! – Der Siedlungskomplex der Glockenbecherkultur aus Marktbergel, Lkr. Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken. Arch. Jahr Bayern 1997 (Stuttgart 1998), 61-64.
Nadler 1999: M. Nadler, Landschaft als Artefakt. Natürliche und anthropogene Landschafts- und Reliefveränderungen vom Neolithikum bis zum Mittelalter – Beispiele aus Mittelfranken. Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken 5/1999, 13-60.
Nadler 2002: M. Nadler, Tierische Arbeitskraft im Neolithikum? – Belege von Ochsen im frühen Neolithikum von Marktbergel, Mittelfranken. In: Hemmenhofener Skripte 3 (Gaienhofen-Hemmenhofen 2002, 109f.
Nadler 2002: M. Nadler, Archäologische Datierung der Karstphänomene. In: M. Reimann, H. Schmidt-Kaler, Der Steigerwald und sein Vorland. Wanderungen in die Erdgeschichte 13 (München 2002), 46-51.
Nadler 2003: M. Nadler, Jungneolithische Brunnen in Marktbergel? Lkr. Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim. Arch. Jahr Bayern 2002 (2003), 25-26.
Sponholz 2002: B. Sponholz, Der Beitrag geowissenschaftlicher Untersuchungen zur vor- und frühgeschichtlichen Umweltrekonstruktion. Das Beispiel Ergersheim/Mittelfranken. In: P. Ettel. et al., Interdisziplinäre Beiträge zur Siedlungsarchäologie. Gedenkschrift für Walter Janssen. Internat. Arch. Studia honoraria 17 (Rahden 2002) 341-345.
Ullrich 2001: M. Ullrich, Eine Höhenlage mit Wall-Graben-Befestigung und weitere Siedlungsspuren des Endneolithikums bei Ergersheim, Lkr. Neustadt a. d. Aisch – Bad Windsheim. In: Die Stellung der endneolithischen Chamer Kultur in ihrem räumlichen und zeitlichen Kontext (Büchenbach 2001), 146-162.
Ullrich 2008: M. Ullrich, Endneolithische Siedlungskeramik aus Ergersheim, Mittelfranken. Untersuchungen zur Chronologie von Schnurkeramik und Glockenbechern an Rhein, Main und Neckar. Univ.forsch. Prähist. Arch. Bd. 160 (Bonn 2008).
Ullrich 2011: M. Ullrich, Das Dolinenfeld „Am Hahnenbuck“ bei Ergersheim, Lkr. Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim – Ein Fundplatz des Endneolithikums, der Bronze- und der Urnenfelderzeit (Mit Beiträgen von Martin Nadler, Nadja Pöllath, Werner Scharff und Barbara Sponholz). Arbeiten Arch. Süddtl. Bd. 13 (2011).
Ullrich/Reimann 2011: M. Ullrich, Matthias Reimann, Gipskarstarchäologie in der Bad Windsheimer Bucht Fallbeispiel Ergersheim, „Hahnenbuck“. Akad. Geowiss. Geotechn., Veröffentl. 28 (2011), 259-275.
Walter 2012: P. Walter, 152 Tiefblicke. Geoarchäologische Prospektionen in der Windsheimer Bucht. Archäologie und Landesamt. Anlass, Verlauf und Bilanz eines Modellprojektes. Denkmalpflege Themen 3, 2012, 60-61.
Zeeb/Nadler/Leja 1997: A. Zeeb, M. Nadler, F. Leja, Die Schulterbandgruppen in Mittelfranken: Goldbergfazies in Marktbergel, Lkr. Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken. Arch. Jahr Bayern 1996 (1997), 29-31.