DFG-Forschungsprojekt "Bronzezeitliches Glas zwischen Alpenkamm und Ostsee. Untersuchungen zur Herstellung und Distribution des ältesten Glases in Mitteleuropa."
Glas, besonderer Werkstoff und Kulturgut seit mehr als 3000 Jahren, findet im vorgeschichtlichen Europa vor allem in Form von Perlen als Schmuck- und Trachtbestandteil Verwendung. Glasperlen aus Gräbern, Horten und Siedlungen der Mittel- bis Spätbronzezeit (14.-9. Jh. v. Chr.) stellen das älteste echte Glas im Raume zwischen Alpenkamm und Ostsee dar. Seine Seltenheit und die enge Bindung an reich ausgestatte Gräber lassen im bronzezeitlichen Glas ein exklusives, kostbares und prestigeträchtiges Material erkennen. Im internationalen Vergleich bilden die bronzezeitlichen Glasfunde in Mitteleuropa jedoch ein noch unzureichend bearbeitetes Forschungsfeld.
Ausgangspunkt
Das vom Menschen künstlich geschaffene Glas ist ein Schmelzprodukt aus Quarzsand (Siliciumdioxid), den Alkalisalzen Natrium- und Kaliumkarbonat als Schmelzpunkt senkende Flussmittel und Metalloxiden als färbende Bestandteile. Die Alkalien und Metalloxide können dabei in verschiedenen Kombinationen und unterschiedlichen Mengen verarbeitet werden, so dass vor- und frühgeschichtliches Glas nicht auf eine definierbare Zusammensetzung beschränkbar ist. Vielmehr lassen sich drei Glastypen unterscheiden. Bei vorgeschichtlichem Glas handelt es sich meist um das so genannte HMG-Glas („High Magnesium Glas“), ein Natron-Kalk-Glas, dessen Natrium aus salztoleranten Pflanzen gewonnen wurde (Sodaasche). Diese Zusammensetzung ist einerseits typisch für Glas im mediterranen Raum zwischen 1500-800 v. Chr., konnte aber andererseits auch in der Zeit zwischen dem 13. und 6 Jh. v. Chr. in Schottland, Südengland, Dänemark, Deutschland, der Schweiz, Italien und Tschechien nachgewiesen werden. Das HMG-Glas wird im Verlauf von Ha C vom Typ LMG („Low Magnesium Glas“) abgelöst. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Natron-Kalk-Glas, das jedoch aus mineralischem Natursoda hergestellt ist. Dem HMG-Glas steht mit dem Typ LMHK („Low Magnesium, high Kalium“) ein gemischt-alkalisches Glas gegenüber, das ebenfalls für das 11. bis 7. Jh. v. Chr. in Irland, der Schweiz und Norditalien nachweisbar ist.
Fragestellung und Forschungsschwerpunkte
Das übergeordnete Ziel des Forschungsprojektes besteht in der umfassenden Erforschung des ältesten Glases in Mitteleuropa. Die damit verbundene Fragestellung nach der technik- und kulturgeschichtlichen Stellung von Glas in der mitteleuropäischen Bronzezeit soll auf archäologischem und archäometrischem Wege herausgearbeitet werden.
Die archäologischen und archäometrischen Bearbeitungen sollen sich auf den Raum der deutschen Bundesländer mit den angrenzenden Regionen Dänemarks, Polens, Tschechiens, Österreichs, der Schweiz, Frankreichs und der Beneluxländer erstrecken. Damit werden repräsentative Bereiche dreier Kulturzonen abgedeckt, die süddeutsche Bronzezeit/Urnenfelderzeit, die nordische Bronzezeit und die Lausitzer Kultur. Relativchronologisch erstreckt sich der zu bearbeitende Materialbestand von der jüngeren Mittelbronzezeit bis an das Ende der Spätbronzezeit (Reinecke Bz C2, Bz D, Ha A-B), dies entspricht etwa einer Zeitspanne vom 14. bis zum 9. Jh. v. Chr..
Die archäologischen Methoden beinhalten eine einheitliche Erfassung und Bearbeitung der Glasperlenfunde im Bearbeitungsraum im Hinblick auf ihre typologische Gliederung, Zeitstellung und Verbreitung sowie eine makroskopische und mikroskopische Untersuchung der mechanischen Herstellungstechnik von Glasperlen in Hinsicht auf ihre räumliche und zeitliche Varianz.
Die archäometrischen Untersuchungen umfassen neben einer einheitlichen Erfassung und Auswertung der Daten von bereits durchgeführten archäometrischen Glasanalysen im Gesamtuntersuchungsgebiet die Durchführung von chemischen Analysen an Glasperlen. Bedingt durch das hohe Fundaufkommen werden sich diese auf den deutschen Raum konzentrieren, ergänzend hierzu sollen Funde aus dem benachbarten Ausland beprobt werden. Eine Aufgabe der chemischen Analyse besteht in der Identifizierung der verwendeten Grundrezepturen anhand der Haupt- und Nebenelementzusammensetzung und in der Klassifizierung der Rezepturen hinsichtlich eines mitteleuropäischen oder mediterranen Ursprungs. Anhand von Spurenelementen sollen die Färbestoffe des Glases und weitere zufällige oder bewusste Zuschläge zur Glasrezeptur bestimmt und in ihrer zeitlichen wie räumlichen Dimension dargestellt werden. Auf diese Weise sollen Glasgruppen klassifiziert und hinsichtlich ihrer zeitlichen wie räumlichen Verbreitung untersucht werden.
Die Verknüpfung der archäologischen und archäometrischen Analysen soll als dritter Forschungsschwerpunkt zunächst die Grundfrage einer mediterranen oder mitteleuropäischen Herkunft des Glases bzw. die Herkunft der Rohstoffe, des Rohglases und der Endprodukte klären. Darüber hinaus soll beurteilt werden, ob das Glas zentral oder dezentral hergestellt wurde, und hierauf aufbauend soll versucht werden, die Ursprungsregion im Vergleich zur Fundregion einzugrenzen. Der Fragenkomplex der Herkunftsbestimmung soll durch zwei grundverschiedene methodische Ansätze verfolgt werden: durch die chemische Verknüpfung des Glases mit bekannten Referenzmaterialien wie Glasresten von Produktionsstätten und metallischen Referenzproben einerseits, sowie durch eine systematische Modellbildung andererseits.
Archäometrische Analysemethoden
Während die Haupt- und einige Nebenelemente des Glases mit einer Elektronenstrahl-Mikrosonde (EMPA) am Lehrstuhl für Geodynamik und Geomaterialforschung der Universität Würzburg gemessen werden, steht für die Analyse einer Reihe von Spurenelementen das Laser-Ablations-Massenspektrometer (LA-ICP-MS) des Nordbayerischen GeoZentrums der Universität Erlangen zur Verfügung.
Für die Analysen der Elektronenstrahl-Mikrosonde muss eine Fläche unkorrodierten, frischen Glases von etwa 1 mm² zur Verfügung stehen. In den meisten Fällen wird die häufig an vorgeschichtlichem Glas anzutreffende leichte bis mäßig starke Oberflächenkorrosion präparatorische Vorarbeiten notwendig machen. Die Perlen werden an einer unauffälligen Stelle, zerbrochen vorliegende Exemplare an einer Bruchfläche, auf diamantbestückten Schleifscheiben unterschiedlicher Körnung vorsichtig angeschliffen und anschließend auf Textilscheiben anpoliert.
Bei der Untersuchung mit dem Laser-Ablations-Massenspektrometer wird durch Beschuss mit einem Laserstrahl eine Mikromenge Glasmaterial ablatiert. Auf der Probe entstehen winzige Krater, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind.
Entsprechend erfolgt die Auswahl der zu beprobenden Perlen nach Gesichtpunkten des Verwitterungszustandes und des Erhaltungszustandes der Perlen.
Vorarbeiten
Im Rahmen der Vorbereitung zum Forschungsprojekt ist bereits eine erste Fundaufnahme der publizierten Glasperlen aus den Deutschen Bundesländern geschehen. Hier konnten 187 Fundstellen mit mehr als 2000 Glasperlen verzeichnet werden (Mildner 2008).
Darüber hinaus wurde im Jahr 2009 ein Pilotprojekt zur archäometrischen Analyse von Glasperlen aus dem bronzezeitlichen Hortfund von Neustrelitz, Lkr. Mecklenburg-Strelitz durchgeführt (Mildner et al. 2010).
Text: Stephanie Mildner
Kooperationspartner:
Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern - Dezernat Archäologie
Archäologische Staatssammlung München
Archäologie-Museum Oberfranken - Pfalzmuseum Forchheim
Römisches Museum Augsburg
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck
Heimatmuseum Wattens in Nordtirol
Archäologisches Landesmuseum Schloß Gottorf in Schleswig
Museumslandschaft Hessen Kassel
Museum für das Fürstentum Lüneburg
Museum Schloss Holdenstedt Uelzen
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie / Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar
Steinsburgmuseum Römhild
Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum Wünsdorf
Stadtmuseum Cottbus
Hohenzollerisches Landesmuseum Hechingen
Heimatmuseum Reutlingen
Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur
Pfahlbaumuseum Unteruhldingen / Bodensee
Historisches Museum Regensburg
Landesmuseum Württemberg Stuttgart
Landkreis Osterode am Harz / HöhlenErlebnisZentrum Bad Grund
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Falkenstein
Stephanie Mildner M.A.
Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
Institut für Altertumswissenschaften
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Residenzplatz 2, Tor A
97070 Würzburg
frank.falkenstein@uni-wuerzburg.de
stephanie.mildner@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Ulrich Schüssler
Lehrstuhl für Geodynamik und Geomaterialforschung
Institut für Geographie und Geologie
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Am Hubland
97074 Würzburg
uli.schuessler@uni-wuerzburg.de
Förderer:
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Literatur:
Mildner, S., U. Schüssler, F. Falkenstein, H. Brätz, Bronze Age "High-Magnesium glass" in central Europe. Preliminary results of an archaeometrical study. In: Innovations in the Technologies of Glass(in Druck).
Mildner, S., Bronzezeitliche Glasperlen in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme. Unveröffentlichte Magisterarbeit (Bamberg 2008).