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Gefäßflöte aus Uruk

Eine Gefäßflöte aus Uruk, der südmesopotamischen Residenzstadt des legendären Königs Gilgamesch

In der Stadt Uruk (Warka, Irak) fanden Ausgräber in den 1960er Jahren ein spektakuläres Objekt. Es handelt sich um ein tönernes Instrument, gerade mal 4,6 x 3,9 cm groß, das in seiner Gestalt an ein kleines Gespenst erinnert. Seit dem 19. Jahrhundert n. Chr. wird diese Art der Gefäßflöte „Okarina“ genannt. Der Fund in einer Schuttschicht aus der Wende vom 4. zum 3. Jahrtausend v. Chr. zeigt nun, dass diese Form bereits vor Jahrtausenden zum Musizieren verwendet wurde.

Um die Gefäßflöte aus Uruk herzustellen, wurde vermutlich ein längliches flaches Stück Ton einmal in der Mitte gefaltet. Die Kanten an den Längsseiten wurden daraufhin aufeinandergepresst und am Mundstück, gegenüber der Falz, zueinander gedrückt, sodass eine dreieckige Form entstand. Um den Windkanal zu gestalten wurde daraufhin ein flaches Stück Schilfrohr zwischen die Tonlagen gesteckt. Als die gewünschte Form erreicht war, konnten die Ränder verschmiert und das Rohr danach vorsichtig herausgezogen werden. Die zwei Grifflöcher und das Labium wurden nachträglich aus dem noch elastischen Ton herausgeschnitten.

Leider sind das Labium (die Schneidekante, an der der Luftstrum geteilt wird) und die Überdeckung des Windkanals abgebrochen und auch die Reste des Mundstücks konnten kaum zur Rekonstruktion des Hohlkörpers und damit einer authentischen Klangwiederherstellung beitragen. Seltsamerweise passen nämlich die Vorderkanten der Fragmente und die des Windkanals nicht exakt aneinander.

Mit zwei Löchern, die in unterschiedlichem Abstand zum Mundstück angebracht sind, kann man auf einer Gefäßflöte normalerweise vier unterschiedliche Töne spielen. Die Tonflöte aus Uruk hat zwar zwei Grifflöcher, diese befinden sich allerdings auf beiden Seiten in gleicher Entfernung vom Labium und erzeugen somit denselben Ton. Zusammen mit den Kanten, die nicht aufeinander passen, könnte dieser Umstand ein Indiz dafür sein, dass die Flöte ein Fehlversuch war und bereits antik verworfen wurde. Bei verschiedenen Rekonstruktionsversuchen konnten dennoch Intervalle identifiziert werden. Sie bewegen sie zwischen einer großen Terz und der Quinte zum Grundton und spiegeln damit den Klangumfang dieses mehr als 5000 Jahre alten Instruments annähernd wider.

Da die Gefäßflöte im Schutt lag, bleibt uns verborgen, von wem und zu welchen Gelegenheiten sie erklang. Sie zeugt wohl von einer volkstümlichen Musizierpraxis, ob beim Hüten von Tieren oder beim kindlichen Spielen, die abseits der höfischen oder kultischen Festereignisse in den großen Tempeln und Palästen Mesopotamiens stattfand.

Marie Klein

Durch die Ausdrucke der am Windkanal und am Labium veränderten 3D-Scans für die Ausstellung konnte die kleine Flöte klanglich wiederbelebt werden. Ihr beachtlich lauter und schriller Klang kann von Besucher ausprobiert werden.

Uruk (Irak), ca. 2900 v. Chr. – Uruk-Warka-Sammlung der Universität Heidelberg, W 21790
Alumni-Musikpatin: Michaela Thiel