Monochorde
Monochorde – Intervalle hören und Proportionen sehen
Wie sein Name sagt, ist das Monochord ein ‚Einsaiter’. Doch ist damit weniger die Bauform gemeint, als eher die Funktion: Die eine Saite wird anhand eines verschiebbaren Stegs geteilt, um optisch evident Intervallproportionen darstellen zu können. Daher der griechische Begriff (Maßstab). Die Ursprünge des musiktheoretischen Demonstrationsinstruments sind unklar. Pythagoras soll es bereits benutzt, vielleicht von den Ägyptern übernommen haben. Die früheste Quelle ist die Schrift des Mathematikers Euklid (ca. 300 v. Chr.) – Κατατομή κανόνς (katatomé kanónos), lateinisch sectio canonis, die „Teilung des Kanons”. Alle weiteren Abhandlungen stammen aus nachchristlicher Zeit. Als „Monochord” bezeichnet es erstmals Nikomachos von Gerasa (1./2. Jh. n. Chr.).
Ursprünglich soll das Monochord nur ein Brett mit aufgespannter Saite gewesen sein. Mittelalterliche Darstellungen seit ca. 1100 zeigen das Instrument dann stets mit einem länglichen Resonanzkasten. Monochorde konnten unterschiedliche Bauformen haben, meist rechteckig, manchmal dreieckig, auch eine einsaitig bespannte Rebec konnte als Resonator dienen. Die Saitenanzahl variierte ebenfalls. Schon Ptolemaios († 161 n. Chr.) kannte Instrumente mit mehreren Saiten, auf denen das gleichzeitige Spiel eines Intervalls möglich war. Im 15. Jahrhundert stattete man Mehrsaiter mit Tasten aus, was zur Entstehung des Clavichords führte. Der in der Ausstellung zu sehende Viersaiter (Tetrachord; Studiensammlung Musikinstrumente & Medien Inv. U 2) aus den 1930er Jahren diente wohl der Verdeutlichung von Schwingungsverhältnissen im Musiktheorie-Unterricht. Auf ihm lassen sich dank der Lineal-Schienen auch komplexe Proportionen oder Intervalle unter Halbtongröße gut darstellen. Der Einsaiter erhielt im 20. Jahrhundert als ethnomusikologisches Messinstrument zur Messung außereuropäischer Skalen noch einmal Aufschwung (siehe das Exponat mit Einkerbungen für eine diatonische Skala, Studiensammlung Musikinstrumente & Medien Inv. N 1).
In der Ausstellung liegt dem Viersaiter ein Büchlein bei, mit dessen Hilfe antike Intervallberechnungen (z.B. unterschiedliche Tetrachorde) nachgestellt und gehört werden können.
Verlängert man die Saite, resultiert ein Einsaiter, auf dem Obertöne gut darstellbar werden. Im Hochmittelalter entstand das Trumscheit oder die „Marientrompete“ (tromba marina, in der Ausstellung Studiensammlung Musikinstrumente & Medien Inv. R 21) mit einer Saitenlänge von bis zu zwei Metern. Mit einem Schnarrsteg versehen, kommt das Streichinstrument, das nur mit Flageolett-Tönen gespielt wird, der Klangcharakteristik von Trompeten nahe. Es wurde u.a. von Nonnen gespielt, denen der Gebrauch von Blechblasinstrumenten untersagt war. Im 17. Jahrhundert wurde es von Marin Mersenne auch als musiktheoretisches Instrument genutzt.
Oliver Wiener