Der Simrock-Boisserée-Nachlass
Das Forschungsprojekt befasst sich mit einer bislang kaum beachteten Quellensammlung im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar. Dass diese Sammlung von bedeutenden Persönlichkeiten, die für die Entwicklung der architektur-geschichtlichen Disziplin, für den Historismus als epochemachenden Stil und für historische Erkenntnisse zur Gotik und zum mittelalterlichen Handwerk u.v.m. bedeutsam waren, angelegt, systematisiert und ausgewertet worden war, ist allein schon bemerkenswert.
Es handelt sich um heute größtenteils unbekannte Urkunden und Dokumente – Steinmetz- und Bruderschaftsordnungen, Bestallungen, Verträge, Briefe und Akten zu Bausachen und Rechtsstreitigkeiten u.a. – zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bauorganisation mit dem Schwerpunkt auf das Steinmetzhandwerk. Sie entstammen als Gesamtheit keinem lokalen Archivkontext, sondern waren einst mit breitem, berufsständigen bis nationalen Interesse gesammelt worden.
Das Besondere der Quellensammlung sind die spezifischen Inhalte und Bedeutungen der Einzelstücke als auch die einmalige Form ihrer Zusammenführung: Es handelt sich z.T. um bedeutsame Dokumente, die wie bspw. das im Original erhaltene Magdeburger Bruderbuch erhebliche Lücken in der ‚Bauhüttenforschung’ schließen können. Es handelt sich aber auch um eine Quellensammlung, die in der Goethezeit durch Christian Ehrmann begonnen worden war und als wertvolles Konvolut keinem Geringeren als dem Initiator der Kölner Dombauvollendung Sulpiz Boisserée in die Hände fiel. Die Neukonstituierung von ‚Bauhütten’ im 19. Jahrhundert nach vermeintlich mittelalterlichem Vorbild stützte sich auf solche historischen Quellen. Aber auch umgekehrt wurden der Sammlungsaufbau und der Umgang mit den Quellen in Form eines unveröffentlichten Buchmanuskripts durch disparate Bestrebungen geformt und mit ihnen standesmäßige Vorzüge, kultureller Vorrang oder gar nationale, politische Vormacht historisch begründet.
Das Projekt verfolgt drei Ziele: Die Quellensammlung samt Manuskriptteile werden (1.) für einen Sammlungskatalog transkribiert und kommentiert, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Quellen und das Manuskript werden als gesonderte Wissensbestände analysiert und bewertet: (2.) als historische Dokumente vor dem Hintergrund des gegenwärtigen architekturhistorischen Forschungsstandes und (3.) das Manuskript des 19. Jahrhunderts samt zugrunde liegender Sammlungsstruktur aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive.
Projektverantwortliche
Wissenschaftliche Mitarbeiter