Zur Geschichte des Lehrstuhls für Klassische Archäologie
Karl Ludwig von Urlichs
1855-1889
Als Begründer der Klassischen Archäologie an der Würzburger Universität darf Karl Ludwig von Urlichs (9.11.1813 – 3.11.1889) gelten, der von 1855–1889 in Würzburg lehrte. Urlichs studierte in Bonn und wurde 1834 bei dem Philologen und Archäologen Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868) mit einer Arbeit über den Tragödiendichter Achaios von Eretria promoviert. Nach mehreren Jahren in Rom (1836–1840) habilitierte sich Urlichs in Bonn und war seit 1847 Professor in Greifswald und seit 1855 in Würzburg.
Urlichs hat ein umfangreiches wissenschaftliches Werk hinterlassen: Im Bereich der Altertumswissenschaften befasste er sich mit der gesamten Bandbreite des Faches, wobei als Schwerpunkte einerseits Plinius der Ältere und Tacitus, andererseits die Topographie Roms und die griechische Kunst zu nennen sind, vor allem auch Fragen der Chronologie. Zudem publizierte Urlichs aber auch zur Kunstgeschichte und vor allem zur Goethezeit: Gemeinsam mit Schillers jüngster Tochter Emilie von Gleichen-Rußwurm gab er Aufzeichnungen und Briefe Charlotte von Schillers heraus, weiter veröffentlichte er Briefe von und an Goethe und Schiller oder das „Tagebuch“ von Jakob Michael Reinhold Lenz. Zwischen 1849 und 1852 war Urlichs Abgeordneter im Preußischen Landtag sowie im Erfurter Unionsparlament. In Würzburg war Urlichs mehrfach Dekan der Philosophischen Fakultät und 1885/86 Rektor der Universität. Sein besonderes Engagement galt der Universitätssammlung – dem heutigen Martin von Wagner Museum –, für die er 1872 die rund 500 griechischen Vasen der Sammlung Feoli erwerben konnte; Würzburg stellt seitdem eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art weltweit dar.
Karl Sittl
1889-1899
Auf Urlichs folgte 1889 Karl (auch Carl) Sittl (13.2.1862–9.5.1899), der jedoch schon bald verstarb. Wie Urlichs vereinte auch Sittl philologische und archäologische Interessen; besonders zu nennen ist seine Untersuchung „Die Gebärden der Griechen und Römer“, Leipzig 1890. Seine Bibliothek mit mehr als 2000 Büchern befindet sich heute an der Ohio Wesleyan University in Delaware, Ohio.
Paul Wolters
1900-1908
Von 1900 bis 1908 lehrte Paul Wolters (1.9.1858 –10.1936) in Würzburg. Wolters hatte in Halle, Straßburg und Bonn Klassische Philologie und Klassische Archäologie studiert und wurde in Bonn bei Reinhard Kekulé von Stradonitz (1839–1911) über griechische Epigramme promoviert. Nach kurzer Tätigkeit an den Berliner Museen war er von 1885 bis 1887 Reisestipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts und nahm an mehreren Grabungen teil. Seit 1887 als „Zweiter Sekretär“ – d. i. Direktor – mit Wilhelm Dörpfeld (1853–1940) als „Erstem Sekretär“ am Deutschen Archäologischen Institut Athen tätig, folgte er 1900 dem Ruf nach Würzburg, bereits 1908 dann nach München, wo er bis 1935 als Professor und Museumsdirektor wirkte. Wolters, dessen Untersuchungen vor allem der griechischen Kunst galten, gehörte zu den prägenden Wissenschaftlern seiner Zeit.
Heinrich Bulle
1898-1902 und 1908-1935
Heinrich Bulle (11.12.1867–6.4.1945) war von 1898–1902 vertretungsweise und von 1908–1935 als Ordinarius in Würzburg tätig. Bulle studierte in Freiburg und München, wo er bei Heinrich Brunn (1822–1894) mit einer Arbeit über „Die Silene in der archaischen Kunst der Griechen“ promoviert wurde. In den Jahren 1893 und 1894 war er Reisestipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts und wurde dann Assistent bei Adolf Furtwängler (1853–1907) in München. 1898 habilitierte sich Bulle in München und lehrte dann vier Jahre in Würzburg, bis er 1902 nach Erlangen ging. Von 1908 bis 1935 war Bulle dann Ordinarius in Würzburg. Unter seinen wissenschaftlichen Arbeiten ist vor allem das in mehreren Auflagen erschienene Werk „Der schöne Mensch im Altertum“ (1922) zu nennen, der griechischen Plastik galt auch sonst sein hervorragendes Interesse. Weiter begründete Bulle mit seinen Forschungen zum antiken Theater eine Würzburger Tradition, die bis heute fortgeführt wird. So erwarb Bulle für das Universitätsmuseum auch die berühmten unteritalischen Vasenfragmente mit Theaterdarstellungen.
Reinhard Herbig
1936-1941
Reinhard Herbig (23.2.1898–29.9.1961) lehrte von 1936 bis 1941 in Würzburg. Im Ersten Weltkrieg verwundet, studierte er von 1919 bis 1925 in Rostock, Breslau und Heidelberg; hier wurde er bei Ludwig Curtius mit der Arbeit „Das Fenster in der Architektur des Altertums“ promoviert. Nach Tätigkeiten in Rom und Athen habilitierte er sich 1930 ebenfalls in Heidelberg über den klassischen Tempel von Kap Sunion. Herbig erhielt dann in rascher Folge Rufe nach Jena und Würzburg, 1941 nach Heidelberg. Danach war er seit 1956 bis zu seinem Tod Erster Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom. Zu seinen wissenschaftlichen Interessen zählten neben der Architektur vor allem die römische Wandmalerei und die Etruskologie, doch publizierte er auch zur antiken Musik oder zur Kunstgeschichte. Bei Herbig wurde 1952 Erika Simon promoviert, Ordinaria in Würzburg von 1964 bis 1994.
Hans Möbius
1941-1964
Prägend gerade für die Nachkriegsjahre wurde Hans Möbius (2.2.1895–28.11.1977), der hier von 1943 bis 1963 lehrte und die Universitätssammlung führte. Möbius wurde 1916 bei Paul Jacobsthal (1880–1957) in Marburg zu „Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen“ promoviert; bereits die Dissertation weist auf seine auch sonst weitgefächerten Interessen hin. Danach wurde Möbius Assistent am Deutschen Archäologischen Institut in Athen und 1928 Kustos der Kassler Museen, wo er über Vor- und Frühgeschichte wie über Gemälde der Frühen Neuzeit publizierte. 1929 noch bei dem 1935 emigrierten Jacobsthal habilitiert, lehrte Möbius bis zu seinem Ruf nach Würzburg in Marburg. In Würzburg gelang Möbius 1963 die Wiedereröffnung der Universitätssammlung, für deren beide Abteilungen er verantwortlich war. Wissenschaftlich ist Möbius mit Arbeiten zu Themen von der orientalischen Kunst bis zur Kunstgeschichte der Neuzeit hervorgetreten. Einen wesentlichen Schwerpunkt bilden in seinem Oeuvre die Grabreliefs.
Erika Simon
1964-1994
Seit 1964 war Erika Simon (27.6.1927 - 15.2.2019) Lehrstuhlinhaberin und Direktorin der Antikensammlung des Martin von Wagner Museums. Sie wurde 1952 in Heidelberg bei Reinhard Herbig mit einer Arbeit über „Opfernde Götter“ promoviert, für die sie das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts erhielt. Nach Tätigkeiten an den Universitäten Mainz und Heidelberg war sie seit 1964 ordentliche Professorin für Klassische Archäologie an der Universität Würzburg und zugleich Direktorin der Antikenabteilung des Martin-von-Wagner-Museums, dem ihr großes Engagement galt. Mit ihren Forschungen etablierte sie Würzburg als Zentrum der ikonographischen, kultur- und religionsgeschichtlichen Forschung; ihr besonderes Interesse galt zudem der Antikenrezeption. Ihr wissenschaftliches Werk wurde im In- und Ausland mit zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen gewürdigt. So war Erika Simon Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften oder Ehrenmitglied der Society for the Promotion of Hellenic Studies und erhielt die Ehrendoktorwürden der Universitäten Athen und Thessaloniki.
Auf Erika Simon folgte 1994 Ulrich Sinn (geb. 4.10.1945). Seit 1.12.2011 ist Matthias Steinhart (geb. 17.4.1966) Lehrstuhlinhaber für Klassische Archäologie. Zu diesen sowie den aktuell in Würzburg tätigen Klassischen Archäologen vgl. die Homepage des Lehrstuhls (Mitarbeiter).
Literaturhinweis
R. Lullies - W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse: Porträts und Kurzbiographien von Klassischen Archäologen deutscher Sprache (Mainz 1988).
Allgemeine deutsche Biographie (ADB), 56 Bände (Leipzig 1875-1912).
Neue deutsche Biographie (NDB), Bd. ff (Berlin 1953ff.).