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Philosophische Fakultät

Korsika – geographisch und romanistisch erkunden

10/29/2024

Erstmalig in der Geschichte der Philosophischen Fakultät gingen Studierende der Geographie-Didaktik und der Romanistik gemeinsam auf große Exkursion. Zehn Tage lang erkundeten sie interdisziplinär die Insel Korsika.

                            Die gesamte Exkursionsgruppe auf dem Genueserturm in Porto.
Die gesamte Exkursionsgruppe auf dem Genueserturm in Porto. (Image: Carina Schaller/Antonio Mnich)

L’Île de Beauté, wird Korsika genannt, die Insel der Schönheit. Durch die große Vielfalt an spannenden Themengebieten bietet sie ein breites Spektrum für geographische Erkundungen. Angefangen von der zweigeteilten Entstehungsgeschichte bis hin zur heutigen Nutzung der natürlichen Ressourcen durch unterschiedliche Arten des Tourismus können hier Mensch-Umwelt-Beziehungen auf kleinstem Raum exemplarisch beobachtet und erforscht werden.

Aus romanistischer Perspektive ist die sprachliche Situation Korsikas interessant: Nach einer wechselvollen Geschichte gehört es seit 1768 zu Frankreich und hat einerseits das Französische als Amtssprache. Andererseits ist aber das dem Italienischen sehr ähnliche Korsisch ein Herzstück der regionalen Identität – und übrigens auch ein Studienfach an der einzigen Universität der Insel. Diese Besonderheiten führten zur Idee, eine gemeinsame Exkursion von Studierenden der Geographie-Didaktik und der Romanistik zu organisieren.

Fachübergreifende Chancen und Herausforderungen

„Grundsätzlich ist die Große geographiedidaktische Exkursion ein wichtiger Baustein unserer Lehramtsausbildung, denn nirgendwo sonst können fachwissenschaftliche, methodische, didaktische und organisatorische Aspekte so gut miteinander verknüpft, so anschaulich gelehrt und gelernt werden wie auf einer Exkursion“, sagt Thomas Amend, Akademischer Oberrat am Institut für Geographie und Geologie.

Aktiv in die Gestaltung aller Projekte und Planungsschritte eingebunden sammelten die Studierenden wertvolle Erfahrungen für den späteren Lehrberuf, etwa zur Konzeption eigener Erkundungsfahrten mit Schülerinnen und Schülern.
 

„In der Würzburger Romanistik konnten Exkursionen bisher leider nur vereinzelt stattfinden“, bedauern Sandra Ellena und Stefanie Goldschmitt, beide Akademische Oberrätinnen am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft. „Umso reizvoller erschien uns von Anfang an eine Kooperation mit der Geographiedidaktik, um von den fachübergreifenden Perspektiven, aber auch von der organisatorischen Erfahrung zu profitieren.“

Helmer Vogel, die vierte Person im Bunde des Leitungsteams, unterstreicht: „In meiner Zeit als Akademischer Direktor in der Würzburger Geographiedidaktik habe ich mehrmals versucht, die Fremdsprachenphilologien für eine gemeinsame Exkursion zu gewinnen. Nun freue ich mich, dass eine solche Kooperation endlich stattfinden konnte – verbunden mit dem Wunsch, dass weitere solche Projekte durchgeführt werden. “

Wie aber kann man die verschiedenen Disziplinen und Studieninhalte vereinen und dabei Synergien erzeugen? Dies galt es schon viele Monate vor dem geplanten Reiseantritt auszuloten.

Vorbereitung im Sommersemester

Zu diesem Zweck fanden das ganze Sommersemester 2024 hindurch mehrere Seminare statt: Die Lehramtsstudierenden der Geographie erarbeiteten sich in einem Vorbereitungsseminar die fachlichen Grundlagen für die Exkursion.
In speziellen Lehrveranstaltungen der Romanistik standen die Sprachgeschichte Korsikas, die verschiedenen dort gesprochenen Varietäten sowie die Linguistic Landscapes, d.h. die Präsenz und Funktionen von Sprache im Öffentlichen Raum, auf dem Programm. Mehrmals während des Semesters wurden gemeinsame Treffen veranstaltet, in denen sich sowohl die Exkursionsleitung als auch die Studierenden fachlich austauschen und kennenlernen konnten. „Durch die Zusammenarbeit der beiden Studiengänge hat man auch Einblicke in Themen bekommen, die man ansonsten nie erhalten hätte. Außerdem denke ich, dass die Geographie- und Romanistik-Studierenden voneinander profitiert haben, indem man sich Fragen zu den verschiedenen Fachgebieten stellen konnte“, so Jasmina Seifert, Bachelorstudentin der Romanistik.

Route und Highlights

Am 8. September ging es für 18 Studierende der Geographie und sieben Studierende der Romanistik dann endlich los: Zusammen mit dem vierköpfigen Leitungsteam standen in den ersten Tagen zunächst die Städte Corte und Ajaccio auf dem Programm, inklusive des Geburtshauses von Napoleon und eines abendlichen Polyphonie-Konzerts. Die Bergwanderung auf den Monte Renoso (2.352 m) wurde von passenden Fachbeiträgen der Studierenden zu den Themen Geologie, Geomorphologie, Glaziologie, Klima, Tourismus, Flora und Fauna begleitet. „Bei der gemeinsamen Wanderung wurden wir über die Entstehung der Gebirge und Täler informiert. Durch den Austausch habe ich viele neue Themenbereiche kennengelernt und meinen Fokus in der Natur auf neue Dinge gerichtet“, erklärt die Französisch-Lehramtsstudentin Isabell Wilhelm.

Am vierten Tag stand ein Besuch der Universität an, bei dem deren Vizepräsident die Würzburger Besucher empfing und über die Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkte der Università di Corsica Pasquale Paoli informierte. Eine Besichtigung des Campus und des FabLab, ein Austausch mit Studierenden und Lehrenden sowie ein Vortrag zur korsischen Sprache samt zweistündigem Korsisch-Kurs vermittelten tiefe Einblicke in die 1765 gegründete und 1981 wiedereröffnete Hochschule.

Die nächsten Tage waren der Westküste mit ihren einzigartigen Felsformationen der Calanques de Piana und kleineren Küstenstädten gewidmet. Zum Ende der Exkursion wurde der Nordosten der Insel erkundet, vor allem landwirtschaftliche Betriebe wie eine Ölmühle und ein Weingut, ebenso aber auch Bastia, die zweitgrößte Stadt Korsikas. „Meiner Meinung nach haben wir natürlich davon profitiert, dass wir Romanistinnen und Romanisten dabeihatten, weil wir uns dadurch viel leichter mit den Einwohnern Korsikas verständigen konnten. Außerdem war es sehr interessant, Korsika von einem linguistischen Blickwinkel aus zu betrachten. So konnten wir auch die korsische Sprache näher kennenlernen“, urteilt Kerstin Arz, Geographie-Studentin für das Realschullehramt.

Wissenschaftliche Theorie und Praxis

Die Inhalte der Exkursion wurden von den Studierenden in einem Feldbuch gesichert, welches sowohl fachliche Informationen als auch Aufgaben zu den jeweiligen Stationen und Themengebieten enthielt.

Zusätzlich erstellten die Geographie-Studierenden mithilfe der Plattform ArcGIS digitale Kartierungen, sodass während der Exkursion intensiv kartiert und danach thematische Karten von jedem Expertenteam erstellt werden konnten, beispielsweise zum Tourismus, zu Gesteinsfunden oder zur landwirtschaftlichen Nutzung. Die Studierenden vermittelten ihr Wissen direkt vor Ort in Form von Kurzreferaten und gezielten Arbeits- und Kartieraufträgen an die gesamte Gruppe. „Die Experten des jeweiligen Bereichs konnten uns sehr interessante Informationen weitergeben. Zum Beispiel hätten wir Romanisten sonst nichts über die Entstehung der für Korsika typischen Steinformationen namens Tafoni erfahren“, berichtet Eve Borggrefe, Master-Studentin im Fach Französisch.

Die Romanistik-Studierenden wiederum arbeiteten einerseits an individuellen Projekten ihrer Seminararbeiten, zum Beispiel der Analyse von Ortsnamen oder Sprecherbefragungen zum Gebrauch der korsischen Sprache in verschiedenen Situationen des privaten und beruflichen Lebens. Andererseits fotografierten sie französische und korsische Sprachzeugnisse im Öffentlichen Raum, etwa Straßenschilder, Graffiti oder Hinweistafeln. Das analysierte und annotierte Bildmaterial speisten sie dann in die Datenbank Lingscape ein, um es für zukünftige Forschungsprojekte zugänglich zu machen. Zudem standen sie der Gruppe zum Übersetzen und Dolmetschen zur Verfügung, beispielsweise bei Befragungen Einheimischer, um Informationen zum Tourismus oder handwerklicher Produktion zu erheben.

Die sehr unterschiedlichen Bereiche der Erkundung und fachlichen Perspektiven fügten sich im Reiseverlauf zu einem umfassenden Gesamtbild zusammen. „Die Exkursion nach Korsika war nicht nur eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Insel, sondern auch eine Gelegenheit, die Einzigartigkeit dieser Region in ihrer ganzen Vielfalt zu erleben“, so Luca Meyerhöfer, Geographiestudentin für das Gymnasiallehramt.

Bleibende Eindrücke

Das dichte und durchaus herausfordernde Programm endete nach zehn Tagen. Nicht fehlen durfte ein gemeinsamer Abschlussabend, an dem die Exkursionsgemeinschaft das Erforschte und Erlebte in Form von Reden, Liedern, Gedichten während einer kleinen Feier Revue passieren ließ. „Wir waren eine tolle Gruppe, in der man sich einfach wohlgefühlt hat und mit der man viel Spaß haben und viel zusammen lachen konnte. Es sind dadurch Freundschaften entstanden und wir haben Momente erlebt, an die man sich auch später noch gerne zurückerinnert“, freut sich Kerstin Arz. Bei Lana Nakchbandi (Gymnasiallehramt Französisch) hinterließen vor allem „die atemberaubenden Ausblicke auf das Meer und die beeindruckenden Berge einen bleibenden Eindruck. Die Wanderungen, darunter eine besonders schöne Sonnenuntergangswanderung, haben mir die Schönheit der Île de Beauté nähergebracht.“

„Dies war bereits die fünfte Große geographiedidaktische Exkursion, die ich als verantwortlicher Exkursionsleiter nach Korsika durchführen konnte. Aus geographischer Perspektive war es sehr wertvoll, nicht nur vieles über die korsische Sprache neu zu lernen, sondern auch französischsprachige Kommunikatorinnen und Kommunikatoren dabeizuhaben, die so manches Türchen durch ihr Sprachgeschick öffnen oder auch gesellschaftskritische und politisch motivierte Graffiti für uns dechiffrieren konnten“, resümiert Thomas Amend. „So konnten wir das Exkursionsgebiet noch tiefgreifender erkunden.“

„Stefanie Goldschmitt und ich waren, wie die meisten unserer teilnehmenden Romanistik-Studierenden, zum ersten Mal auf Korsika und hatten die Gelegenheit, die Insel intensiv und vielschichtig zu erschließen. Gerade in den Bereichen Sprachgeographie und Linguistic Landscapes wurde für uns deutlich, welchen Mehrwert solche gemeinsamen Unternehmungen haben: Die Schnittmengen unserer Disziplinen wurden uns jeden Tag vor Augen geführt, und von vermeintlich zu wahrenden Fachgrenzen lässt sich  niemand mehr aufhalten“, so Sandra Ellena.

Kontakt

Thomas Amend, Didaktik der Geographie, T: +49 931 31-88752, thomas.amend@uni-wuerzburg.de

Dr. Sandra Ellena, Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft, T: +49 931 31-85691, sandra.ellena@uni-wuerzburg.de

Dr. Stefanie Goldschmitt, Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft, T: +49 931 31-85690, stefanie.goldschmitt@uni-wuerzburg.de

Dr. Helmer Vogel (AD), ehem. Didaktik der Geographie, helmer.vogel@uni-wuerzburg.de

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By Exkursionsleitung

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