Das Haus des Min im Horustempel von Edfu: DFG fördert neues Projekt
02/09/2022Carolina Teotino-Tattko wird im Rahmen einer Walter-Benjamin-Stelle den als pr-Mnw „Haus des Min“ bezeichneten Raum des Horustempels von Edfu untersuchen, der sich auf der westlichen Seite des Tempels befindet. Diese Kapelle ist einer der ältesten Gottheiten des ägyptischen Pantheons geweiht.
„Mit der Einwerbung von Fördergeldern“ im Rahmen des Walter-Benjamin-Programms der DFG „für ein eigenständiges Forschungsvorhaben wird der Grundstein für die weitere, zunehmend selbständige wissenschaftliche Karriere gelegt und die erwünschte Eigenverantwortlichkeit von besonders qualifizierten Postdoktorandinnen und Postdoktoranden gestärkt. Das Programm dient damit der Förderung der frühen wissenschaftlichen Karriere." Carolina Teotino-Tattko war hier mit ihrem Antrag zur Erforschung des „Hauses des Min“ erfolgreich und wechselt nun von Tübingen, wo sie promoviert wurde, nach Würzburg.
Min verkörpert einerseits die Fruchtbarkeit, andererseits steht er für das Königtum und die Herrschaftslegitimation. In dieser Rolle ist er öfters an Horus assimiliert – in Edfu insbesondere an die verschiedenen lokalen Formen des Gottes wie Horus-Behedeti oder Harsomtus.
Die vorhandene Publikation Edfou I (1892/revidiert 1984) dokumentiert weder die Szenen noch die Texte photographisch. Ein weiteres Defizit stellen die Umzeichnungen der Szenen dar, die nicht viel mehr als überblicksartige, teils die Ikonographie verfälschende Skizzen sind. Wiedergegeben ist lediglich summarisch und inakkurat die figürliche Dekoration, während die hieroglyphischen Texte davon separat gedruckt wurden. Dadurch gehen viele Informationen der Interaktion von Bild und Text verloren, die für das Verständnis der Szenen jedoch zentral sind. Zudem fehlt eine philologische Bearbeitung der Inschriften bislang völlig.
Hier setzt Frau Teotino-Tattko an und verfolgt zwei inhaltliche Ziele: Erstens wird sie eine Erstbearbeitung der Texte mit einer Transliteration und einer Übersetzung sowie eine inhaltliche Erschließung der Inschriften mit einer Dekorationsanalyse vorlegen. Der zweite Projektschwerpunkt liegt auf der Rekontextualisierung des Textgutes als Folge des intrakulturellen Wissenstransfers. Dabei wird sie die Texte des Raumes auf ältere, zeitgenössische und spätere Parallelen prüfen, um die gemeinsamen Inhalte auf Basis der allgemein gültigen Dekorationsregeln abzuleiten, die für die priesterlichen Schreiber und Dekorateure gegolten haben. Anhand einer systematischen Untersuchung der Dekorationsprinzipien des Hauses des Min in Edfu wird so dargelegt, wie Text und Wissen, welche die Priester für den Entwurf der Inschriften aufgegriffen haben, tradiert wurden.
Zunächst gilt es ein Bild des Raumes zu skizzieren, vor allem unter Berücksichtigung performativ-ritueller Aspekte, und daran anknüpfend seine genaue Funktion innerhalb des theologischen und funktionellen Konstrukts des Tempels abzuleiten. Die Arbeit wird so zeigen, dass die reich dekorierten Tempel der griechisch-römischen Zeit als Aufbewahrungsort älterer Kompositionen in Form von Monumentalfassungen anzusehen sind. Den Fragen, wie längere Hymnen und andere Texte an ihren besonderen Kontext adaptiert – d.h. im konkreten Fall in kleinere Einheiten auf die Tempelwand aufgeteilt – wurden und wie sich das Spruchgut verändert, wird unter der Zugrundelegung des Modells von Makro- und Mikrotext nachzugehen sein.