Grabungsprojekt Frangissa
Grabungsprojekt Frangissa (Zypern), in Kooperation mit Matthias Recke (Universität Frankfurt)
1885 legte Max Ohnefalsch-Richter Teile eines Apollon-Heiligtums im Tal von Frangissa frei. Ergebnis der Ausgrabung war ein reicher Bestand an Votivgaben, insbesondere Skulpturen und Terrakotten von teils kolossaler Größe von archaischer bis hellenistische Zeit, die in verschiedene Museen gelangte. Publiziert wurde lediglich ein idealisierter Steinplan mit einigen kurzen Notizen. Nach erfolgter Freilegung wurden die baulichen Reste inklusive der Statuenbasen wieder zugeschüttet und der genaue Standort des Heiligtums geriet in Vergessenheit. Durch Archivstudien ist es Matthias Recke (Universität Frankfurt) gelungen, die Lokalisierung des Heiligtums auf ein Tal bei Pera Oreinis einzugrenzen.
Im Herbst 2020 führten wir die erste Feldkampagne in Form eines archäologischen Surveys und einer geophysikalischen Prospektion (GPR) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. A. Sarris (University of Cyprus) durch. Mit diesen Maßnahmen konnten wir einen archäologischen Fundplatz bestimmen, dessen obertägig sichtbares Fundmaterial nahelegte, dass es sich um ein Heiligtum handelte. Seit 2021 finden jährliche Grabungskampagnen in dem Areal statt. Die eindeutige Identifizierung mit dem Apollon-Heiligtum von Frangissa gelang bereits 2022, die exakte Lokalisierung der publizierten Strukturen schließlich 2023. Das Team besteht aus Mitarbeitern und Studierenden der Universitäten Kiel, Frankfurt und Nikosia sowie einem Team für die Restaurierung aus Leipzig. Ziel des gemeinsamen Projektes ist die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses für die zyprische Archäologie einschlägigen Kultplatzes. Unsere Kenntnis zyprischer Heiligtümer basiert noch immer in hohem Maße auf den Grabungs- und Forschungsergebnissen des 19. Jahrhunderts. Daher ist eine kritische Überprüfung auf der Grundlage neuer Ausgrabungen dringend erforderlich. Mit dem Einsatz moderner Grabungs- und Dokumentationsmethoden wird die Erforschung des Fundplatzes Frangissa es erlauben, Votivwesen, rituelles Handeln und die räumliche Strukturierung in einem extraurbanen Heiligtum exemplarisch zu untersuchen.
Vorläufiges Ergebnis der ersten drei Grabungskampagnen ist zum einen die sichere Lokalisierung des 1885 untersuchten Kernbereichs des Heiligtums. Zum anderen konnte der Nachweis einer großen, von Max Ohnefalsch-Richter nicht ergrabenen, rechteckigen Hofanlage mit einer komplexen, mehrphasigen Baugeschichte erbracht werden. Dieses Gebäude schließt unmittelbar an den 1885 ergrabenen Kernbereich des Heiligtums an, besaß aber nach Ausweis der bisherigen Funde eine andere Funktion. Während der Kernbereich der Aufstellung von figürlichen Weihgaben diente, finden sich im anschließenden Hofareal überwiegend Fragmente von Trinkgeschirr, die auf die Durchführung von Banketten in hellenistischer Zeit hinweisen. Reste von Opferhandlungen in Form von Ascheschichten mit Knochen- und Keramikresten dagegen sind bislang ausschließlich außerhalb des Gebäudes angeschnitten worden.
Noch sind nur wenige Bereiche der Anlagen erforscht. Die Fortsetzung der Grabungen und die Einbeziehung weiterer Kooperationspartner für die Analyse der archäologischen Überreste birgt daher ein großes Potential zur Beantwortung der skizzierten Fragen. Gerade die Bearbeitung der Fundkeramik verspricht wichtige Informationen zur Stratigraphie und damit zur Datierung der Anlage. Mit Dr. Anna Georgiadou (University of Cyprus) konnte eine ausgewiesene Expertin für zyprische Keramik als Kooperationspartnerin gewonnen werden. Die Erforschung der Tierknochen hat dankenswerterweise Dr. Angelos Hadjikoumis (Cyprus Institute) übernommen.
Bild: Apollon-Heiligtum, Frangissa (1891)
© Max Ohnefalsch-Richter, Die antiken Cultusstätten auf Kypros (Diss. Universität Leipzig 1891)