Staatsverträge
Staatsverträge (E. Devecchi)
Altorientalische Staatsverträge waren - ganz wie ihre modernen Parallelen - verbindliche Vereinbarungen zwischen zwei politischen Einheiten, die in den meisten Fällen durch zwei Königreiche repräsentiert wurden. Zahlreiche Beispiele haben sich auf Tontafeln erhalten, die vom 24. bis zum 7. Jh. v.Ch. datieren. Spätestens seit der Spätbronzezeit (ca. 1550 bis 1200 v.Chr.) sind sie Teil des gängigen diplomatischen Verfahrens.
Inhalte und Kategorien
Auch wenn es unterschiedliche Traditionen gab, so bestehen doch für die meisten altorientalischen Staatsverträgen gemeinsame Merkmale. In Abhängigkeit vom Verhältnis beider Vertragspartner zueinander wird zwischen paritätischen Verträgen und Subordinations- bzw. Vasallenverträgen unterscheiden, also zwischen Staatsverträgen, die entweder zwischen gleichrangigen Partnern oder zwischen Großkönigen und Vertretern unterworfener Länder abgeschlossen werden.
Die Vertragsvereinbarungen betrafen nicht nur die politischen Verhältnisse zwischen den Vertragspartnern, sondern auch andere Angelegenheiten wie z.B. die Beziehung zu Feinden, zu benachbarten Königreichen, Defensiv- und Offensivbündnisse, Grenzfestlegungen, Schutz des legitimen Thronfolgers, Auslieferung von Kriegsgefangenen und Flüchtlingen, usw. Wie zu erwarten regeln Subordinationsverträge häufig auch Tributzahlungen. Fast alle Staatsverträge wurden durch einen Göttereid besiegelt.
Hethitische Staatsverträge
Die Mehrzahl altorientalischer Staatsverträge datiert in die Spätbronzezeit. Dabei bilden die Staatsverträge, die in den Archiven der hethitischen Hauptstadt Ḫattusa entdeckt wurden, die größte und am besten erhaltene Gruppe. Allerdings sind die meisten erhaltenen Texte Abschriften oder Vertragsentwürfe, die mit dem Wortlaut der endgültigen Vertragsurkunden nicht immer übereinstimmen müssen. Zweifellos ein Original ist der auf einer Bronzetafel überlieferte Staatsvertrag zwischen Tutḫaliya IV. und Kuruntiya von Tarḫuntašša. Mit Ausnahme von wenigen paritätischen Staatsverträgen mit Kizzuwatna und Ägypten, ratifizieren die meisten hethitischen Verträge die Unterordnung von syrischen und anatolischen Vasallen.
Die hethitischen Staatsverträge zeigen eine hoch standardisierte Struktur, die üblicherweise aus Präambel, historischer Einleitung, Vertragsbestimmungen, Anrufung der Eidgötter, Fluch- und Segensformeln besteht. Staatsverträge mit Kizzuwatna und Partnern außerhalb Anatoliens wurden üblicherweise in der damaligen internationalen Verkehrssprache Akkadisch verfasst, von einigen dieser Verträgen liegen darüber hinaus auch Vertragsentwürfe bzw. Kopien in hethitischer Sprache vor. Gänzlich in hethitischer Sprache gehalten waren die mit anatolischen Partnern geschlossenen Verträge.
Beleglage in Gesamtmesopotamien
Auch andere spätbronzezeitliche Könige schlossen Staatsverträge miteinander, wie die Abkommen zwischen Alalaḫ und Kizzuwatna und zwischen Ugarit und Amurru beweisen.
Historiographische Texte erwähnen Staatsverträge zwischen Assyrien und Babylonien, die zwischen dem 16. und dem 8. Jahrhundert v.Chr. geschlossen wurden. Entdeckt wurde bisher allerdings nur der fragmentarische Text eines einzigen solchen Abkommens. Auch sind uns die Texte nur weniger neuassyrischer Staatsverträge (9.-7. Jh. v.Chr.) überliefert, Daten aus Briefen und Königsinschriften informieren uns aber, dass Staatsverträge regelmäßig benutzt wurden, um das assyrische Reich zu vergrößern und zu verstärken.
Ausgewählte Literatur
Altman, A. (2010) “How many treaty traditions existed in the ancient Near East?”, in: Y. Cohen, A. Gilan, and J. L. Miller (Hg.), Pax Hethitica: Studies on the Hittites and their neighbours in honor of Itamar Singer. Wiesbaden, 17–36.
Beckman, G.(2003) “International law in the second millennium: Late Bronze Age.”, in: R. Westbrook (Hg.), A history of Ancient Near Eastern law, vol. 1, Leiden, 753–74.
Eidem, J. (2011) Staatsvertrag. A. 3. - 2. Jahrtausend, in: RlA 13, 38-40.
Parpola, S. (2011) Staatsvertrag. B. Neuassyrisch, in: RlA 13, 40-45.
Wilhelm, G. (2011) Staatsvertrag. C. Bei den Hethitern, in: RlA 13, 45-49.