Min-Kammer
Das Haus des Min im Horustempel von Edfu (Raum O): Eine dia- und synchrone Untersuchung zu Bedeutung, kultischer Funktion und Textgeschichte der Kapelle
Mit dem Projekt verfolgt Teotino zwei inhaltliche Ziele: Erstens wird eine Erstbearbeitung der Texte mit einer Transliteration und einer Übersetzung sowie eine inhaltliche Erschließung der Inschriften und eine Dekorationsanalyse vorgelegt. Angestrebt wird, die Ergebnisse in einer Monographie mit einer verbesserten Neuedition der Texte und der Szenen zu veröffentlichen. Eine komplette zeichnerische und photographische Dokumentation der Reliefs vervollständigt diese. Der Aufbau der Dekoration gibt den Aufbau der Studie vor: In welcher Anordnung die verschiedenen Dekorelemente in der Arbeit behandeln werden, wird sich aufgrund der Zugehörigkeit der Szenen auf den Wänden zueinander feststellen lassen.
Der zweite Projektschwerpunkt liegt auf der Rekontextualisierung des Textgutes als Folge des intrakulturellen Wissenstransfers. Das altägyptische Textmaterial wird anhand seines Verwendungszusammenhanges betitelt und kategorisiert. So unterschied man lange zwischen Toten- und Tempeltexten. Der Inhalt spielt dabei aber weniger eine Rolle als der Auffindungskontext, worauf in den letzten Jahren vermehrt aufmerksam gemacht wurde. So gingen mehrere Untersuchungen der Frage nach dem ursprünglichen Kontext und der emischen Bedeutung unterschiedlicher Texte nach. Demzufolge ist die Gültigkeit der überkommenen Verwendungsgrenzen aus einer neuen Perspektive zu beleuchten.
Vorzustellen hat man sich wohl einen umfangreichen Textpool, der sich aus Kult- und Ritualtexten speist, die im Funerär-, Tempel- oder königlichen Kontext zu verorten sind. Dass in den Inschriften der Tempel der griechisch-römischen Zeit teilweise Inhalte aus Textmaterial älterer Korpora oder aus einem anderweitigen Kontext zu finden sind, erweckte immer wieder Interesse in der Forschung. Bekannt sind z. B. Exzerpte der Pyramidentexte, Sprüche aus dem Totenbuch und aus den Totenliturgien, Hymnen oder verschiedenen Ritualen. In diesem redaktionellen Prozess der graphischen Aufarbeitung der Texte als Monumentalversion können sprachliche Änderungen erkannt und erklärt.
Der Fokus auf der Texttradition der vorliegenden architektonischen Einheit ermöglicht das Erkennen von früheren, zeitgenössischen sowie späteren Parallelen und wird zur Identifikation von Makrotexten führen. Als Makrotext lässt sich eine gesamte Komposition auffassen, die aus verschiedenen im Raum verteilten Mikrotexten besteht, die auf unterschiedliche architektonische Elemente aufgeteilt wurden und die thematisch zu assoziieren sind. Im Gegensatz zu den Mikrotexten können die Makrotexte von verschiedenen Verfassern zu diversen Zwecken erweitert worden sein.
Mikrotexte lassen sich innerhalb der verschiedenen Szenen der Min-Kapelle erkennen, die über diese rekontextualisiert und aufgeteilt worden sind, und deren Rekonstruktion ein zentraler Schwerpunkt im Projekt darstellen wird. Anhand einer systematischen Untersuchung der Dekorationsprinzipien des Hauses des Min in Edfu wird so dargelegt, wie Text und Wissen, welche die Priester für den Entwurf der Inschriften aufgegriffen haben, tradiert wurden.
Diese Teilprojekt hat Frau Dr. Teotino-Tattko im Rahmen ihrer Walter-Benjamin-Stelle in Würzburg begonnen und setzt es als assoziiertes Mitglied des Horus Behedety-Projekts von Tübingen aus fort.