Würzburgs Forschungsprofil 1964–2004
Der 1964 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Ägyptologie berufene Erich Lüddeckens begründete den Ruf Würzburgs als eines der international führenden Zentren für Demotistik. Karl-Theodor Zauzich, der ihm 1981 auf den Würzburger Lehrstuhl folgte, setzte diese Arbeit fort. Die Demotistik ist ein Teilgebiet der Ägyptologie, das sich mit der Entzifferung und Edierung von Texten beschäftigt, die in demotischer Schrift und Sprache geschrieben sind. Dabei zeigt sich zunehmend, dass das demotische Quellenmaterial nicht abseitig, sondern vielmehr fest in der ägyptischen literarischen Tradition steht und nach wie vor aufregende Neuentdeckungen von bislang völlig unbekannten Literaturwerken oder Mythen ermöglicht. Die Epochen, in denen demotisch geschrieben wurde, sind großen Teils mit denen der ptolemäischen und römischen Herrschaft in Ägypten identisch, als in Ägypten verstärkt verschiedene Kulturen miteinander in Berührung kamen.
Das andere wichtige Forschungsgebiet in Würzburg ist die Ptolemaistik – also die Erforschung der ägyptischen Tempel der ptolemäisch-römischen Zeit –, die von Horst Beinlich (Amtszeit als Professor von 1984 bis 2013) etabliert wurde und sich in Würzburg in der Untersuchung der Ritualszenen und der schwierigen hieroglyphischen Inschriften dieser Tempel manifestiert. Gerade die Heiligtümer dieser Epoche weisen eine Zunahme an Inschriften, sowohl im Bereich der reinen Textmenge als auch in der Bandbreite der Textarten auf. Die Schwierigkeit der Entzifferung dieser hieroglyphischen Inschriften besteht darin, dass der Zeichenbestand stark angewachsen ist und verstärkt neben der reinen Niederschrift der Wörter in einer zweiten Ebene die Bildhaftigkeit der Hieroglyphen genutzt wird, um religiöse Aussagen in der Wahl der Zeichen zu verschlüsseln.
Das Renommé des Lehrstuhls belegen
- Gastwissenschaftler aus New York, Baltimore, Budapest, Jerusalem und Leiden,
- die Ausrichtung bedeutender Tagungen, wie der ägyptologischen Tempeltagung 1999, der internationalen Konferenz für demotische Studien 2002 und 2014 oder der 40. Jahrestagung der Ständigen Ägyptologenkonferenz 2008,
- die erfolgreiche Ausbildung von späteren Professoren (darunter alle Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von Karl-Theodor Zauzich): Günter Burkard (München), Horst Beinlich (Würzburg), Richard Jasnow (Baltimore), Hans-Werner Fischer-Elfert (Leipzig), Friedhelm Hoffmann (München), Sandra Lippert (Paris), Maren Schentuleit (Oxford) und Martin Andreas Stadler (Würzburg).
Auch sind Studierende von Würzburg wiederholt zum Studium für einige Zeit ins Ausland (Oxford, Baltimore, Leiden) gegangen, um ihre Ausbildung dort zu komplementieren, oder umgekehrt Studierende aus aller Welt (Ägypten, Finnland, Argentinien, USA, Niederlande), nach Würzburg gekommen.